
Autor: Zdenka Becker
Titel: An einem anderen Ort. Mit fotografischen Stillleben aus Ägypten und Saigon von Nikolaus Korab.
ISBN-10: 3902717750
ISBN-13: 978-3902717757
Verlag: Literaturedition Niederösterreich
Erschienen: 2024
Klappentext:
Zdenka Becker „spricht fünf Sprachen, in denen sie auch denkt und träumt. In ihrem Dasein fühlt sie sich als Slowakin, Österreicherin, Europäerin und Weltbürgerin“. So heißt es über die Autorin in der Zeitschrift „morgen“, in der sie seit einigen Jahren die Europakolumne schreibt. In ihren Kolumnen reflektiert Zdenka Becker über das Reisen, vor allem aber über Begegnungen mit interessanten, oftmals andersdenkenden Menschen. Jede Begegnung und jede Reise bringt neue Erfahrungen sowie die Erkenntnis mit sich, dass man auch in der Fremde ein Zuhause finden kann. Der Essayband „An einem anderen Ort“ versammelt nun Zdenka Beckers Kolumnen aus der Zeitschrift „morgen“, aber auch viele andere, bisher unveröffentlichte Reiseberichte. Auf beeindruckende Weise schafft die Autorin sprachliche Bilder, die zutiefst berühren und uns in andere Länder und Wirklichkeiten mitreisen lassen, ganz im Sinne einer Weltbürgerin.

Buchrezension von Wolfgang Kauer
„Hätte ich an einem anderen Ort die sein können, die ich nicht war, oder bliebe ich die, die ich schon immer bin?“ philosophiert die im tschechischen Eger geborene und in der Slowakei aufgewachsene österreichische Schriftstellerin und Übersetzerin Zdenka Becker zu Beginn ihres außergewöhnlichen Buches, in dem die Suche nach Art und Wurzeln ihrer eigenen Identität einerseits und die Ablehnung von Schubladendenken gegenüber der Herkunft eines Zugewanderten andererseits fokussiert werden. Die Autorin teilt das Buch in Kapitel auf, die mit ihrer Ich-Suche beginnen und „Zuhause im Unterwegssein“ (Kapitelüberschrift) enden. Es ist eine Freude, wie treffsicher und wortgewaltig sich Zdenka Becker durch die sprachlich unsichere, hybride Welt von Immigration und Integration bewegt und wie sie von Kapitel zu Kapitel spielerisch zu immer wieder neuen Themenaspekten findet.
Am Ende der Lektüre lässt das Buch deutschsprachige Lesende zurück, die ihren Blick auf „Zugereiste“ insofern geschärft haben, als sie ihre Klischees bei der Einordnung der Herkunft von Mitmenschen hinterfragen. „Goran aus Helsinki“, wie von ihr eines der Kapitel überschrieben wird, bedeutet fortan für die Lesenden nicht länger eine Herkunftsirritation, sondern die Lektüre läutert Lesende, solches Rasterdenken abzulegen. Hatte man doch im Hinterkopf die Zuordnung gespeichert gehabt, ein Goran müsse wohl aus Südosteuropa stammen.
Dieses Buch unterscheidet sich von anderen Büchern gleicher Intention dadurch, dass die Autorin mehrsprachig und doch in lockerer und leichter intellektueller Schreibmanier durch die so genannte „Ausländer“-Frage tänzelt. Am Ende muss man sich fragen, ob man nicht selbst Mitschuld trägt, wenn im eigenen Land Parallelgesellschaften entstehen. Ihr Text schafft es auf seltene wie bewundernswerte Weise, auf das uns Fremde neugierig zu machen. Jene Figuren, die uns die Autorin als Ich-Erzählerin vorstellt, als wären sie bloß weitere Party-Gäste, bringen Migrationshintergründe mit und leiden in Österreich unter permanenter Konfrontation mit Klischees. Der Schwerpunkt liegt auf Ost-Mitteleuropa. Nicht selten berühren Einzelschicksale, wie etwa das einer slowakischen Hauskrankenpflegerin, die während der Corona-Pandemie als Wochenpendlerin Opfer der Einreisebeschränkungen ihres Landes wird und monatelang nicht zu ihrer Familie durchkommt.
Gesamt gesehen entlarvt die Autorin Nuancen fehlenden Verständnisses im Umgang miteinander, entschärft jedoch peinliche Situationen, indem sie ihren Lesenden inhaltliches und sprachliches Werkzeug zur Problemlösung in die Hand drückt, ohne auch nur ein einziges Mal mit erhobenem Zeigefinger zu belehren. Selten entdeckt man ein sprachlich so locker und leicht sprudelndes Buch, das es auf hohem Niveau und ohne Sentimentalität schafft, dass das Nationalitätenthema an die Herzen der Lesenden rührt.

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