Geschichten zum
Gockelhahn
Charlotte Veichtlbauer
Der Stadler Norbert ist ein
..., der will die Pontigoner (St.
Pantaleoner) nur ärgern, wenn er immer sagt wie seine
Schwiegermutter: der Hahn muss Gickerl heißen, er schreit ja
kikeriki und nicht kokeroko....
Egal wie es klingt, das morgendliche Kikeriki war bis ins
vergangene Jahrhundert das älteste und
einzige Weckmittel für die Leut' am Hof und im Dorf.
Der Hahn ist für uns ein derart selbstverständliches Symbol,
dass sich keiner darüber Gedanken gemacht hat, warum er als
Wetterhahn auf den Türmen steht, oder warum er in den Märchen
so häufig vorkommt: Bremer Stadtmusikanten, Lumpengesindel,
Das Waldhaus, Der Hahnenbalken...
Auf Lateinisch (= gallus) gab der Hahn Gallien und den
Galliern den Namen und dem heutigen Frankreich sein
Nationaltier.
Auch die Portugiesen haben den Hahn als nationales Symboltier.
Dies begründet sich auf eine Legende: ein schöner junger
Pilger war auf dem Weg nach Santiago de Compostella. Müde von
der langen Wanderung kehrte er in einer Herberge ein. Die
Wirtin dort verliebte sich in den hübschen Jüngling und
versuchte ihn zu verführen.
Da er jedoch keusch und fromm war, widerstand er den
weiblichen Künsten. Zornig versteckte die Wirtin silbernes
Besteck in seinem Gepäck, während er schlief, und rief die
Polizei, weil sie bestohlen worden sei. Der Pilger wurde, da
man das Diebesgut in seinen Habseligkeiten fand, verhaftet,
abgeführt und zum Tode verurteilt. Man schleppte ihn noch zum
Bürgermeister der Stadt, dieser sollte das Urteil bestätigen.
Der Bürgermeister saß gerade beim Essen und ließ sich vom
Delinquenten die Geschichte erzählen, wie er sie erlebt habe.
Der Pilger beteuerte seine Unschuld und rief das gebratene
Huhn auf des Bürgermeisters Teller zum Zeugen an. Da wurde der
Hahn lebendig, stand auf und krähte laut, dass der Pilger
unschuldig sei und denunziert worden war. Auf dieses Wunder
hin wurde der junge Mann freigelassen und der Hahn als
Werkzeug Gottes ist heute beliebtes Motiv auf vielen
portugiesischen Souvenirs.
Die Pontigoner (Einwohner der Gemeinde St. Pantaleon im OÖ
Innviertel, Red.) - weil ich ausdrücklich darum gefragt wurde
- sagen zum Hahn Gockel und nicht Gickerl.
Einen Gickerl schießen wir (beim Schießsport, Red.) - wenn wir
die Scheibe oder das Schwarze auf der Scheibe verfehlen - da
sind die Schützen dann Gespött der Zielerbuben, die schreien
laut "Kikeriki" und wacheln mit dem Zielerlöffel!
Gickerl nennt man auch einen eitlen Tropf, der die Dorfstraße
auf- und abmarschiert, sich aufplustert und meint, war gar für
einen unvergesslichen Eindruck er auf das weibliche Geschlecht
wohl macht. Dabei ist er in seiner Halbwüchsigkeit noch
beileibe nicht ernst zu nehmen, sondern sogar lächerlich. "Schautsn
an den, is da do dös a Gickerl!" spottet man hinter ihm her.
Währenddessen ein Gockel ein unersetzliches Mitglied der
bäuerlich-nützlichen Hofgesellschaft ist. Besonders wenn er
schwer ist, wenn er ein buntes Gefieder hat und in
selbstbewußter Wichtigkeit auf dem Misthaufen scharrt und
kräht, ist er nicht nur der Stolz seines Hühnervolkes, sondern
auch seines Bauern. Er ist Symbol für Manneskraft,
Kampfeslust, Fruchtbarkeit und Mut - und er ist ob seiner
geduldeten, sogar gewünschten Vielweiberei Objekt des Neides
der menschlichen Mannerleut.
Drum singen sie zu vorgerückter Stunde:
D'Liab is a Gottesgab, da gibt's koan Zweifel,
der wo koa Liab nöt hat, den holt der Teufel.
Schauts unsern Gockel an, drobm aufm Tenna.
is so a kloaner Mann, hat fuchzehn Henner.
Wanns so a kloaner Mann mit fuchzehn Henner kann,
kanns unseroana ganz gwiß mit oana.
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