Der Mann ist der Herr, das Haupt. Die Pflicht der
Frau gegenüber ihrem Herrn ist es ihm zu dienen. Willkommen in
Shakespeares Wunderwelt der Geschlechterrollen.
Und doch: so ganz heil war auch damals die Welt nicht, denn Katherina
unterwirft sich diesem Frauenbild nicht. Sie ist zänkisch, wild und
kämpferisch – ein wahrer Greuel für ihre männlichen Zeitgenossen.
Wie lieb und begehrenswert ist da doch ihre jüngere Schwester
Bianca: sanft, einfältig und gelegentlich etwas dümmlich. Und so kann sich
Bianca kaum ihrer Verehrer erwehren. Ihr Vater hat jedoch beschlossen, daß
Bianca erst heiraten darf, wenn für ihre ältere Schwester ein Ehemann
gefunden ist. So bleibt den Verehrern Biancas nur ein Ausweg: für
Katharina muß ein Ehemann her. Der ist auch bald gefunden. Petrucchio,
selbst ein reicher Mann, erklärt sich bereit Katherina zu freien: immerhin
winkt eine Mitgift von 20.000 Kronen. Und so wild wird sie schon nicht
sein, meint er.
Wie sich jedoch herausstellt, hat er Katherina unterschätzt, denn
sie tritt ihm kämpferisch entgegen und läßt sich von seinen schönen Worten
nicht einwickeln. Und so beginnt gleich nach der Trauung der mörderische
Kampf zwischen den beiden, den Katherina trotz vielfältiger Demütigungen
lange tapfer durchhält, am Ende jedoch aufgibt und sich ihrem Ehemann
unterwirft.
Die Verehrer Biancas jubeln, nunmehr da die böse Katherina ihrem
Ziel, Bianca zu heiraten, nicht mehr im Weg steht. Aber die Rechnung geht
nicht auf, denn Bianca hat sich in inzwischen in den jungen Lucentio
verliebt, den sie auch heiratet.
Als sich alle bei der Hochzeit Biancas und Lucentios wiedertreffen,
schließen die Männer eine Wette ab, wessen Ehegattin denn nun die
gehorsamste sei. Und siehe da, die widerspenstige Katherina folgt als
einzige dem Befehl ihres Gatten in der Männerrunde zu erscheinen. Und sie
erklärt auf Wunsch ihres Mannes ihren Geschlechtsgenossinnen die Pflichten
der Frau gegenüber ihrem Herrn.
Die Unterwürfigkeit Katherinas am Ende des Stückes ist für alle
emanzipatorischen und feministischen Geister nur schwer zu ertragen. Die
Fassung von Reinhard Palm berücksichtigt jedoch die Veränderung der
Geschlechterrollen in den vergangenen 400 Jahren. So zeigt Katherina auch
nach ihrer Unterwerfung noch immer Züge ihrer Widerspenstigkeit.
Die Inszenierung von Robert Pienz ist äußerst reizvoll. Die
Schauspieler tragen Kostüme, die an das Mafia-Milieu der 30-er Jahre
erinnern. Dem steht ein Petrucchio gegenüber, wunderbar verkörpert durch
Marko Pustisek, gekleidet wie ein Pistolero aus einem Italo-Western:
schwarzer Anzug, weißes Rüschenhemd und Krokodil-Lederstiefel.
Insgesamt eine gelungene und sehenswerte Aufführung, die auch eines
zeigt: es ist durchaus möglich, ein über 400 Jahre altes Stück über den
Kampf der Geschlechter so zu bearbeiten, daß es auch für den Geschmack des
Publikums des 21. Jahrhunderts unterhaltsam ist.
18.09.2003
Michaela Essler Dorfzeitung
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