Abgeschnittene Daumen, verhungerte, verbrannte, erstochene, ertrunkene,
erschlagene Kinder, ein erschossener Jäger – kurz gesagt „Der
Struwwelpeter“.
Man möchte meinen, daß dieses Kinderbuch von Heinrich Hoffmann
eigentlich nicht mehr interessieren kann. Auch der Programmhinweis „Junk-Opera“
von Phelim McDermott & Julian Crouch klingt nicht gerade einladend. Aber
weit gefehlt!
Die Inszenierung von Robert Pienz begeistert von der ersten Minute
an. Der Struwwelpeter ist zwar für seine schaurigen Geschichten bekannt –
aber in dieser Aufführung unterhalten und amüsieren diese Geschichten.
Die Schauspieler der Elisabethbühne zeigen ihr ganzes Können:
Gesang, Tanz, Akrobatik – alles wird geboten. Trotz aller Schaurigkeiten
ist man schon gespannt auf die nächste Geschichte, fragt sich, was kommt
als Nächstes.
„Dr. Hoffmann’s Correction Show” steht in großen Lettern auf dem
Bühnenbild, das an die Dekoration einer Wanderbühne aus dem vorigen
Jahrhundert erinnert. Ein purpurfarbener Vorhang öffnet sich und riesige
Möbel kommen zum Vorschein. Das Bühnenbild von Stefan Pfeistlinger zeigt
die Perspektive, in der Kinder ihre Umwelt sehen. Alles ist groß, hoch,
schwer zu erreichen: eine große Kommode, an der Paulinchen Lade für Lade
hinaufklettert, ein hoher Stuhl, an dem Ferdinand Kopeinig als
Zappel-Philipp sein akrobatisches Talent unter Beweis stellt, riesige
Suppenschüsseln, die der Suppen-Kaspar über die ganze Bühne wirft. Das
Alles erzählt mit den bekannten Texten aus dem Struwwelpeter, die in der
Manier von Wanderbühnen, vorgesungen werden. Nicht nur die herausragende
Leistung des Ensembles macht diesen Theaterabend zum Erlebnis. Die
mitreißende Musik trägt maßgeblich zum Tempo der Aufführung bei.
Und so beginnt es mit dem bösen Friedrich und jammervollen
Wehgeschrei, der von ihm gequälten Kreaturen, bis ihn selbst sein
Schicksal ereilt. Gefolgt von Pauline, in einem erschreckend rosa
Rüschchenkleid, die als Aschehaufen endet. Die Bösen Buben, versehen mit
großen Pflastern auf den Knien, die vom Riesen erschlagen werden. Konrad,
der im lindgrünen Babykleidchen daumenlutschend in einem riesigen Bett
liegt, bis ihm die Daumen abgeschnitten werden. Kaspar, der „Nein, meine
Suppe ess ich nicht“ schreit und immer dünner wird, bis er Hungers stirbt.
Der Jäger, den ein Hase erschießt. Der Zappel-Philipp, der nicht ruhig
sitzen kann, Hans-Guck-in-die-Luft und Robert.
Robert Pienz zeigt, welches Potential in einem Buch steckt, von dem
man glaubt, das es heute eigentlich niemanden mehr hinter dem Ofen
hervorlockt. Die Aufführung begeisterte das Premierenpublikum: mehrfacher
Szenenapplaus, frenetischer Jubel und nicht endenwollender Applaus am
Ende.
Ein Theaterabend der besonderen Klasse, den man sich auf keinen
Fall entgehen lassen sollte.
Michaela Essler Dorfzeitung
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