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Michaela Essler
Political Correctness


© Jeffrey Collingwood - Fotolia.com

In den späten 1960er Jahren trat der Begriff Political Correctness bzw. political correct im Umfeld der nordamerikanischen Linken erstmals auf. Political correct war ein Ausdruck der politischen Linken, der eher ironisch oder spöttisch verwendet wurde, um die extremen Vertreter der Parteilinie zu bezeichnen, die ideologischen Hardliner. Sehr bald übernahmen die Konservativen den Begriff, veränderten jedoch seine Bedeutung: im Sprachgebrauch der Konservativen war political correct bzw. Political Correctness ein disqualifizierender Ausdruck, mit dem die Aktivitäten der amerikanischen Linken bezeichnet wurden. Durch diese doppelte Verwendung erhielt alles, was als political correct bezeichnet wurde, ein negatives Image – sowohl bei den Konservativen als auch bei den Linken. Political Correctness war zu einem Etikett geworden, mit dem der politisch anders Denkende disqualifiziert werden konnte.

Als die Medien den Begriff aufnahmen und damit in die öffentliche Diskussion brachten, wandelte sich die Bedeutung von Political Correctness wiederum. Werden Ausdrücke, die aus einem speziellen Umfeld stammen, in andere Lebensbereiche übernommen und häufig verwendet, erweitert und/oder verändert sich dadurch oftmals auch deren Bedeutung. Heute wird mit Political Correctness der politische und der allgemeine gesellschaftliche Sprachgebrauch bezeichnet.

Die australischen Sprachwissenschafter Keith Allen und Kate Burridge befassen sich seit Jahren mit dem Auftreten und der Entwicklung von Political Correctness, und haben für die Verwendung und die Bedeutung der Political Correctness folgende Charakteristika herausgearbeitet:

1)   Political Correctness ist eine Form des öffentlichen Handelns

Wird der Sprachgebrauch fokussiert, erzwingt dies die Aufmerksamkeit der Menschen und der Gesellschaft für bestimmte Gruppierungen oder vorhandene Missstände. So bezeichnen sich die Schwarzen in den USA heute als African Americans. Dadurch betonen sie nicht nur ihre historischen Wurzeln, sondern stehen auch gleichwertig in einer Reihe mit anderen Minderheiten in den USA, wie den Japanese Americans oder den Italian Americans. Ein anderes Beispiel ist die Forderung der Frauen nach einer gleichberechtigten Behandlung, die sich auch im Sprachgebrauch niederschlagen muss.

2)   Political Correctness ersetzt Bezeichnungen, die negativ besetzt und/oder diskriminierend sind

Viele Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen und ethnischen Minderheiten spiegeln sich im Sprachgebrauch bzw. in heute veraltenden Bezeichnungen wider, die negativ besetzt sind oder auch Schimpfwortcharakter haben können. So wurden Ausdrücke wie Neger oder Zigeuner in der öffentlichen Diskussion ersetzt durch Afro-American  und  Roma und Sinti.

Ebenso werden diskriminierende Bezeichnungen, die sich auf das Geschlecht, auf die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, auf körperliche oder geistige Behinderungen oder sexuelle Neigungen beziehen, durch neutrale Begriffe ersetzt; oder es werden Bezeichnungen und Ausdrücke verwendet, die von den Betroffenen bevorzugt werden.

3)   Political Correctness bewirkt Sprachwandel

Die klare Grenzziehung zwischen korrekten und inkorrekten Bezeichnungen für bestimmte soziale und ethnische Gruppen markiert auch den Gebrauch der inkorrekten Ausdrücke. Menschen, die ein Vokabular verwenden, das heute nicht mehr als political correct angesehen wird, werden sehr leicht einem einschlägigen gesellschaftlichen und politischen Spektrum zugeordnet, und müssen mit dem Vorwurf des Rassismus, der Ausländerfeindlichkeit, der Frauenfeindlichkeit, etc. rechnen.

Um dies zu vermeiden, verändern die Menschen ihre Sprache: sie verwenden die Ausdrücke, die gesellschaftlich und politisch akzeptiert sind. Dieser Vorgang, den Allen/Burridge auch als Selbstzensur bezeichnen, bewirkt Sprachwandel, der sich durch alle Lebensbereiche zieht. Auch Wörter, die ähnlich klingen, oder Phrasen, in denen Ausdrücke vorkommen, die nicht der Political Correctness entsprechen, werden verändert oder verschwinden gänzlich aus dem Sprachgebrauch. So wird zum Beispiel aus der Mehlspeise Negerkuss der Schokokuss.

Der veränderte Sprachgebrauch, der durch die Political Correctness bewirkt wird, schafft nicht nur ein Bewusstsein für die Anliegen und die Situation der Menschen, sondern führt vor allem zu einem tief greifenden Sprachwandel. Die gesellschaftliche Eigendynamik, die rund um diesen Begriff entstanden ist, bewirkt eine Selbstzensur vieler Menschen bei der Wahl ihrer Worte und verändert somit unsere Sprache nachhaltig.

Sprachwandel gab es zu allen Zeiten, und ist kein einzigartiges Phänomen unserer Zeit. So war es im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts tabu über den Körper zu sprechen: Frauen waren nicht schwanger – sie waren „in anderen Umständen“ oder „guter Hoffnung“. Die Sprachtabus für alles Körperliche sind heute gefallen – und bewirken demzufolge eine offenere Sprache für alle Bereiche, die mit dem Körper zu tun haben, bzw. eine freimütige Verwendung  des Vokabulars, das sich auf den Körper bezieht.

Sprachtabus sind immer an gesellschaftliche Konventionen gebunden. Verändern sich die Konventionen und die Wertigkeiten einer Gesellschaft, so verändern sich auch die Spielregeln, was in welcher Form gesagt werden darf oder soll. Sprachwandel kann somit ein Signal für Veränderungen im gesellschaftlichen Gefüge sein, oder aber gezielt herbeigeführt werden – wie das am Beispiel der Political Correctness der Fall ist – um sprachliche Konventionen und/oder sprachliche Wertigkeiten zu verändern.

 


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Michaela Essler
Political Correctness


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