Michaela Essler
Political Correctness
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In den späten
1960er Jahren trat der Begriff
Political Correctness bzw.
political correct im Umfeld der nordamerikanischen Linken
erstmals auf. Political
correct war ein Ausdruck der politischen Linken, der eher
ironisch oder spöttisch verwendet wurde, um die extremen Vertreter
der Parteilinie zu bezeichnen, die ideologischen Hardliner. Sehr
bald übernahmen die Konservativen den Begriff, veränderten jedoch
seine Bedeutung: im Sprachgebrauch der Konservativen war
political correct bzw.
Political Correctness ein
disqualifizierender Ausdruck, mit dem die Aktivitäten der
amerikanischen Linken bezeichnet wurden. Durch diese doppelte
Verwendung erhielt alles, was als
political correct bezeichnet wurde, ein negatives Image – sowohl bei
den Konservativen als auch bei den Linken.
Political Correctness war zu einem Etikett geworden, mit dem der
politisch anders Denkende disqualifiziert werden konnte.
Als die
Medien den Begriff aufnahmen und damit in die öffentliche Diskussion
brachten, wandelte sich die Bedeutung von
Political Correctness
wiederum. Werden Ausdrücke, die aus einem speziellen Umfeld stammen,
in andere Lebensbereiche übernommen und häufig verwendet, erweitert
und/oder verändert sich dadurch oftmals auch deren Bedeutung. Heute
wird mit Political Correctness der politische und der allgemeine
gesellschaftliche Sprachgebrauch bezeichnet.
Die
australischen Sprachwissenschafter Keith Allen und Kate Burridge
befassen sich seit Jahren mit dem Auftreten und der Entwicklung von
Political Correctness, und
haben für die Verwendung und die Bedeutung der
Political Correctness folgende Charakteristika herausgearbeitet:
1)
Political Correctness
ist eine Form des öffentlichen Handelns
Wird der
Sprachgebrauch fokussiert, erzwingt dies die Aufmerksamkeit der
Menschen und der Gesellschaft für bestimmte Gruppierungen oder
vorhandene Missstände. So bezeichnen sich die Schwarzen in den USA
heute als African Americans. Dadurch betonen sie nicht nur ihre
historischen Wurzeln, sondern stehen auch gleichwertig in einer
Reihe mit anderen Minderheiten in den USA, wie den
Japanese Americans oder
den Italian Americans.
Ein anderes Beispiel ist die Forderung der Frauen nach einer
gleichberechtigten Behandlung, die sich auch im Sprachgebrauch
niederschlagen muss.
2)
Political Correctness
ersetzt Bezeichnungen, die negativ besetzt und/oder diskriminierend
sind
Viele
Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen und ethnischen Minderheiten
spiegeln sich im Sprachgebrauch bzw. in heute veraltenden
Bezeichnungen wider, die negativ besetzt sind oder auch
Schimpfwortcharakter haben können. So wurden Ausdrücke wie
Neger oder
Zigeuner in der öffentlichen Diskussion ersetzt durch
Afro-American
und
Roma und Sinti.
Ebenso werden
diskriminierende Bezeichnungen, die sich auf das Geschlecht, auf die
Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, auf körperliche oder
geistige Behinderungen oder sexuelle Neigungen beziehen, durch
neutrale Begriffe ersetzt; oder es werden Bezeichnungen und
Ausdrücke verwendet, die von den Betroffenen bevorzugt werden.
3)
Political Correctness
bewirkt Sprachwandel
Die klare
Grenzziehung zwischen korrekten und inkorrekten Bezeichnungen für
bestimmte soziale und ethnische Gruppen markiert auch den Gebrauch
der inkorrekten Ausdrücke. Menschen, die ein Vokabular verwenden,
das heute nicht mehr als
political correct angesehen wird, werden sehr leicht einem
einschlägigen gesellschaftlichen und politischen Spektrum
zugeordnet, und müssen mit dem Vorwurf des Rassismus, der
Ausländerfeindlichkeit, der Frauenfeindlichkeit, etc. rechnen.
Um dies zu
vermeiden, verändern die Menschen ihre Sprache: sie verwenden die
Ausdrücke, die gesellschaftlich und politisch akzeptiert sind.
Dieser Vorgang, den Allen/Burridge auch als Selbstzensur bezeichnen,
bewirkt Sprachwandel, der sich durch alle Lebensbereiche zieht. Auch
Wörter, die ähnlich klingen, oder Phrasen, in denen Ausdrücke
vorkommen, die nicht der Political Correctness entsprechen, werden verändert oder
verschwinden gänzlich aus dem Sprachgebrauch. So wird zum Beispiel
aus der Mehlspeise Negerkuss der Schokokuss.
Der
veränderte Sprachgebrauch, der durch die
Political Correctness
bewirkt wird, schafft nicht nur ein Bewusstsein für die Anliegen und
die Situation der Menschen, sondern führt vor allem zu einem tief
greifenden Sprachwandel. Die gesellschaftliche Eigendynamik, die
rund um diesen Begriff entstanden ist, bewirkt eine Selbstzensur
vieler Menschen bei der Wahl ihrer Worte und verändert somit unsere
Sprache nachhaltig.
Sprachwandel
gab es zu allen Zeiten, und ist kein einzigartiges Phänomen unserer
Zeit. So war es im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts tabu über den
Körper zu sprechen: Frauen waren nicht schwanger – sie waren „in
anderen Umständen“ oder „guter Hoffnung“. Die Sprachtabus für alles
Körperliche sind heute gefallen – und bewirken demzufolge eine
offenere Sprache für alle Bereiche, die mit dem Körper zu tun haben,
bzw. eine freimütige Verwendung des
Vokabulars, das sich auf den Körper bezieht.
Sprachtabus
sind immer an gesellschaftliche Konventionen gebunden. Verändern
sich die Konventionen und die Wertigkeiten einer Gesellschaft, so
verändern sich auch die Spielregeln, was in welcher Form gesagt
werden darf oder soll. Sprachwandel kann somit ein Signal für
Veränderungen im gesellschaftlichen Gefüge sein, oder aber gezielt
herbeigeführt werden – wie das am Beispiel der
Political Correctness der Fall ist – um sprachliche Konventionen
und/oder sprachliche Wertigkeiten zu verändern.
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