Dea Loher:
"Unschuld"
Alltäglicher Irrsinn lose aneinander gereiht: das ist „Unschuld“
von Dea Loher.
Zwei illegale Einwanderer sehen, wie eine Frau im Meer ertrinkt.
Sofort wollen sie die Frau retten. Bis sich die beiden einigen, wie sie
die Frau ins Krankenhaus schaffen können, ohne mit den Behörden in
Berührung zu kommen, ist die Frau ertrunken.
Frau Habersatt gibt sich als Mutter von Gewaltverbrechern und
Amokläufern aus, und bittet bei den Hinterbliebenen der Opfer um
Vergebung.
Franz und Rosa müssen ihre Wohnung mit Rosa’s Mutter teilen, die
ausschließlich von ihrer Krankheit und von Selbstmord spricht.
Das blinde Mädchen Absolut verdient sich seinen Lebensunterhalt als
Striptease-Tänzerin. Ella ist eine frustrierte, alternde Philosophin, die
den Glauben an das Leben und die Wissenschaft verloren hat, und ihren Mann
tötet.
Genervte Autofahrer feuern einen Selbstmörder an, endlich vom Dach
zu springen, damit die Straßensperren weggeräumt werden und jeder endlich
weiterfahren kann.
Sie alle begegnen sich, reden über ihre gescheiterten Wünsche,
Hoffnungen und Lebensträume, erzählen sich ihre Lebenslügen.
Dea Loher zeigt in ihrem Stück völlig ohne Klischee’s Menschen, die
sich wie selbstverständlich durch den Irrsinn bewegen, den andere und sie
selbst produzieren. Das Erschreckende daran: man hat keineswegs das
Gefühl, etwas Ungewöhnliches zu sehen, sondern Alltägliches.
Karin Koller gelingt im ersten Teil ihrer Inszenierung eine zügige
Szenenabfolge. Vor allem die schauspielerische Qualität des Ensembles läßt
Spannung entstehen, der Zuschauer folgt gebannt der skurrilen
Szenenabfolge des alltäglichen Irrsinns.
Nach der Pause sind Tempo und Spannung völlig verschwunden. Was nun
folgt, gleicht einem Ballon, aus dem die Luft raus ist. Die vorher so
zügige Szenenabfolge ist nur noch ein müdes Tröpfeln. Alles kämpft sich
nur mehr mühsam bis zum Ende durch. Ein schlaffes Ende, das die Wirkung
des ersten Teils bedauerlicherweise völlig erstickt.
15.09.2004
Michaela
Essler,
Dorfzeitung
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