Kathrin Röggla
Draußen tobt die Dunkelziffer
SCHAUSPIELHAUS SALZBURG PREMIERE:
5.
NOVEMBER
2008
MIT:
Hansi Anzensberger, Ulrike Arp, Daniela Gnoycke,
Ute Hamm, Oliver Hildebrandt, Georg Reiter, Olaf Salzer, Volker
Wahl, Christian Warnecke
REGIE: MARTIN SCHARNHORST / AUSSTATTUNG: FRIEDRICH DESPALMES /
MUSIK: PAUL HERTEL
Die Bühne ist
leer, eingegrenzt von beweglichen, hellen Bahnen. Alles ist
himmelblau ...
Die Bühne ist nicht mehr leer, Gymnastikbälle
hüpfen auf und ab, rollen durch den Raum und neun Personen in
knalligen Farben fangen sie auf, setzen sich drauf, rollen sie
weiter. Was scheint, wie ein fröhlich-buntes Musikvideo ist die
Eingangssequenz von „ Draußen tobt die Dunkelziffer“ von Kathrin
Röggla, am Schauspielhaus mit viel Liebe zum Detail inszeniert von
Martin Scharnhorst.
Kathrin Röggla
wurde 1971 in Salzburg geboren und ist dort aufgewachsen. Seit 1988
ist sie aktiv in der literarischen Öffentlichkeit. Zunächst in der
Salzburger Literaturwerkstatt, der Salzburger Autorengruppe und in
der Redaktion der Literaturzeitschrift "erostepost". Seit 2002
schreibt sie auch Theatertexte.
In „Draußen tobt die Dunkelziffer“ näherte sie
sich durch Recherchen und Interviews dem Thema der Verschuldung und
der Schuldenberatung an. In ihren Recherchen hat sie mit ganz
unterschiedlichen Parteien (mit Banken, Schuldnerberatern,
Verschuldeten) gesprochen und daraus entstand ein Mosaik aus
Schulden-Geschichten, kleinen Erzählungen, bunten Bildern, kurzen
Sequenzen eines verschuldeten Lebens, Anekdoten aus den
Berater-Kreisen.
Die
Schuldnerberater in den knalligen Outfits besprechen zynisch den
Absturz ihrer Klienten und stellen dem Publikum mit
Zrikusdirektor-Manier die verschiedensten Arten der Verschuldeten
vor – die Sozialhilfefamilie, „die sich durch die Elektronik des
Hauses frisst“, die kaufsüchtige Ehefrau, der spielsüchtige Neffe,
der sich verspekulierende Workaholic und die Jugendlichen mit den
300 € schweren Handyrechnungen.
Dazu die
Angehörigen, die das alles nicht kommen sehen konnten und die es bis
zum Ende nicht wahrhaben wollten.
Das Schauspielensemble besticht durch
ausdrucksstarke Mimik, Witz in Dialekt und Körpersprache und Tanz-
und Gesangkünste. Sie zeichnen authentische Personen nach, vom
„Weltmarktführer“ bis zur „Angehörigen“. Musikstücke wechseln sich
mit komödiantischen Szenen ab, nachdenkliche Monologe mit
Videoprojektionen; es endet in der Selbstaufgabe einer Schuldnerin.
Der Text macht Spaß, die Inszenierung auch,
doch manchmal scheint es als wäre die Aussage irgendwo zwischen dem
Kreditkartenkind und der Mittelstandsleiche liegen geblieben, als
wäre sie mit den bunten Hüpfbällen um die Ecke gerollt. Was von dem
Abend bleibt, ist etwas Heiteres, die Problemthematik wurde mit viel
Ironie, Schauspielkunst und -Freude auf die Bühne gebracht. Und man
erkennt sich wieder in den zu hohen Handyrechnungen und dem
nicht-hinsehen-wollen wenn das Geld knapp wird, man erkennt sich
wieder, nicht zuletzt weil einem die Schauspieler in der letzten
Szene einen riesigen, zerbrochenen Spiegel entgegenhalten, der einem
die Scheinwerfer des Lichttechnikers und das ganze himmelblaue
Drumherum in die Augen wirft.
Nina Groß, Dorfzeitung
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