Uta Pfützner: Eiskalte Entourage

Uta Pfützner

Unter Pfützner | Foto: Privat

Autorin: Uta Pfützner
Titel: eiskalte Entourage – Das Messiehaus im Stiftgäßchen
Verlag: Eigenverlag Uta Pfützner
Erschienen: Mai 2024

Klappentext:

Hansjörg Wojcek bekommt als Kind sechs Zinnsoldaten geschenkt, die er hütet wie einen seltenen Schatz. Darüber hinaus sammelt er Spielfiguren aller Art. Durch die Scheidung seiner Eltern verliert er seine Sammlung. Viele Jahre später holt ihn die Vergangenheit wieder ein.

Er entschließt sich zu einer grausigen Vorgangsweise, um das erlittene Leid zu mindern. Ein Kriminalbeamter aus Kamenz beginnt, die Puzzleteile zusammenzufügen. Das Bild, das daraus entsteht, entsetzt nicht nur ihn.

Anni Lemberger

Rezension von Anni Lemberger

Hansjörg ist ein einsames, aber hilfsbereites Kind. Als er seinem älteren Nachbarn bei Gartenarbeiten hilft, schenkt ihm dieser sechs Zinnsoldaten, die in Österreich hergestellt wurden.

Der Junge versteckt sein wertvolles Gut, neben seiner Sammlung von Spielfiguren, in einer alten Scheune, um sie vor dem Vater in Sicherheit zu wissen. Sie werden ihm zu einem wichtigen Kommunikationsmittel und zu seinem Zufluchtsort.

Als aber die Mutter mit seiner Schwester und ihm vor dem aggressiven Vater flieht, bleibt keine Zeit mehr, seine Sammlung zu holen und mitzunehmen. 

Jahre später trifft er einen österreichischen Soldaten, der ohne Obdach auf der Straße lebt. Er nimmt ihn zu sich ins Haus nach Kamenz, in dem er nach dem Tod seiner Mutter alleine lebt. Glücklich, nicht mehr alleine sein zu müssen, macht Hansjörg alles für seinen Mitbewohner, bis das Schicksal sein altes Trauma reaktiviert und er eine folgenschwere Entscheidung trifft.

Ein großartiger Psychothriller zu einem brisanten, realen Thema: Einsamkeit und krankhaftes Sammeln.

Der Protagonist Hansjörg, der bereits als Kind ein hartes, ungerechtes Leben kennenlernen muss, hat deshalb von Kindesbeinen an keine Chance, in ein erfolgreiches Erwachsenenleben zu starten. Der Junge ist mit großem Empathievermögen ausgestattet, deshalb erkennt er die Hilfsbedürftigkeit seines Nachbarn beim Bestellen des Gartens. Während Hansjörg hilft, schweigt der Nachbar, obwohl er von der Misshandlung durch den aggressiven Vater weiß. Aber: Er schenkt ihm zumindest sechs Zinnsoldaten, die eine teilweise Entlastung für Hansjörg bringen. Er vertraut ihnen sein Leid an – und sie hören ihm stumm zu. 

Offensichtlich flüchtet aber die Mutter des Protagonisten, die ebenfalls durch ihren Ehemann Gewalt erfährt, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit ihren Kindern vor dem gewalttätigen Ehemann und Vater.

Durch diese Aktion hilft sie ihrem Sohn aber nicht unbedingt, sondern fügt ihm einen weiteren enormen Verlust zu. Er muss seine geliebten Zinnsoldaten zurücklassen.

Nach dem Tod von Hansjörgs Mutter bleibt er im gemeinsamen Haus und isoliert sich immer weiter. Seine vielfachen Verlusterlebnisse dürften dazu führen, dass er nichts mehr loslassen kann und so sein Haus in ein „Mülllager“ (Messiehaus) verwandelt.

Wie aber kann er verlorene Freunde festhalten? Durch Zufall und mit sehr viel Kreativität findet der Protagonist auch hier (s)eine Lösung, wie er nicht nur seine Freunde, sondern auch seine verlorenen Zinnsoldaten wieder in seinen Blickwinkel rücken kann.

Der beiden Kriminalbeamten sind eher nur „Randerscheinungen“ dieses sehr spannenden Thrillers. Obwohl es ihnen am Ende gelingt, das Puzzle zusammenzufügen, hat das eigentlich keine strafrechtliche Relevanz mehr.

Der Einband und der Klappentext bei diesem Buch laden zum Lesen ein. Der Text ist flüssig lesbar, die Handlung gut nachvollziehbar und auch durchaus real, passierten Kriminalfällen zuordenbar.

Was mich sehr nachdenklich gemacht hat, ist „das Wegsehen“ beim Protagonisten, sowohl bei seinen Erlebnissen in der Kindheit, als auch beim Chaos in seinem Garten, das nicht übersehbar war. Nachdenklich deshalb, weil wir auch in unserer Realität „eine Wegschau-Mentalität“ leben und Hilfsbedürftigkeit als „unerwünschtes Einmischen in eine fremde Privatsphäre“ deuten.

Ich habe mir nach dem Lesen dieses Buch vorgenommen, bei Problemen anderer nicht mehr wegzuschauen, sondern hinzusehen und zu handeln, wenn Hilfsbedürftigkeit so deutlich, wie bei Müll sammeln und horten „nonverbal“ ausgedrückt wird.

Ein großartiges und spannendes Buch, das viele Botschaften zwischen den Zeilen vermittelt.


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