„Paradies“ – Sperrstunde verpasst

Paradies

Das Theater ecce bringt die Komödie des französischen Autors und Regisseurs Emmanuel Robert-Espalieu zur deutschsprachigen Erstaufführung.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Die intime Atmosphäre im OVAL – die Bühne im Europark passt hervorragend zu dem Zwei-Personen-Stück, in dem es um das Tabuthema Liebe im Alter geht. Für das berührende, mit Daniela Enzi und Alexander Lughofer exzellent besetzte Stück gab es bei der Premiere am 24. Mai 2023 Standing Ovations.

Es ist bereits sechs Uhr früh und die Discothek „Paradies“ schon ziemlich leer. Eine etwas ältere Dame tanzt aber immer noch voll Energie und versucht dabei, mit einem jungen Mann an der Bar zu flirten. Als dieser absolut nicht reagiert, wird sie direkt: „I am open!“ Er schüttelt aber nur den Kopf über diese quirlige alte Dame. Doch sie kommt immer näher und baggert ihn ziemlich unverblümt an.

Was findest du „ungewöhnlich“? Dass ich von Sex rede?
Findest du es „unziemlich“, „unangebracht“? Für eine Oma?
Ich kann dich beruhigen, ich backe auch Kuchen,
lege Patiencen und schaue den Bergdoktor an. Ja!
Jetzt fühlst du dich wohler, oder?

Völlig verlegen versucht er, sich aus dem Staub zu machen. Doch zu spät, die Discothek ist bereits versperrt und sie sind eingeschlossen. Bis die Polizei kommt und sie befreit, das kann dauern. Es bleibt den beiden gar nichts anderes übrig, als sich einander vorzustellen, denn Fini und Emil werden wohl ein Weilchen miteinander verbringen müssen. Fini hat trotz ihrer neuen Hüfte viel mehr Glut im Körper als Emil, der verklemmte Junge. Sie redet für ihr Leben gern, besonders über die Variationen der Liebe im Alter und bringt dabei Emil in große Verlegenheit. Sie behauptet etwa, dass Altersheime in Wahrheit Freudenhäuser seien. Da muss der arme Emil an seine Hedi-Oma denken und das gefällt ihm gar nicht.

Daniela Enzi kokettiert als Fini gerne mit ihrem Alter und ist einfach hinreißend. Für ihre Disco-Einlagen gab es nicht nur ein Mal Szenenapplaus. Sie begeistert aber nicht nur als wilde Fini, die vor keiner Peinlichkeit zurückschreckt, sie schlüpft auch in die Rolle der leicht dementen Hedi-Oma, die in einem Altersheim auf den Besuch ihres Enkels wartet.

Alexander Lughofer ist ihr ein absolut ebenbürtiger Partner und grandios in seiner Unbeholfen- und Verlegenheit. Er ist eben noch grün hinter den Ohren und gelb am Schnabel, wie Fini ihn so treffend beschreibt. Dieser Abend tut dem schüchternen Emil aber sichtlich gut, er verliert viel von seiner anfänglichen Steifheit, die Lebenslust der alten Dame scheint abzufärben.

Emmanuel Roiber-Esalieu liebt es, in seinen Stücken von Gefühlen zu erzählen, die uns Menschen verbinden, aber auch von Schwachstellen und gelebten Paradoxien. Regisseur Gerard Es hat sich nach „Russische Nationalpost“ von Oleg Bogajev, dessen Stücke mittlerweile in Russland verboten sind, nun dem Themenschwerpunkt Alterseinsamkeit aus einem völlig anderen Gesichtswinkel genähert. Ein wirklich empfehlenswerter Theaterabend, sehr offenherzig und mit überaus charmantem französischem Humor.

„Paradies“ von Emmanuel Robert-Espalieu. Theater ecce. OVAL – Die Bühne im Europark & Kunsthaus Nexus Saalfelden & kleines theater Salzburg. Regie: Gerard Es. Mit: Daniela Enzi und Alexander Lughofer. Fotos: Theater ECCE © Foto Flausen – Titelbild | © LOOP – 4er Staffel

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