Ein Haus ohne Zähne

Zahnwurzen-Haus | Linzergasse 22-24

„Das Zahnwurzen-Haus wird entschandelt“, titelten die Salzburger Nachrichten triumphierend am 27. März 1959, dem Voraus ging ein zweijähriger Streit über ein Kunstwerk, das der Landeskonservator Theodor Hoppe als „störendes Element in einer Altstadtstraße vom Rang der Linzergasse“ (Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg, 14.4.1959. Nr. 13/111) bezeichnete.

Christoph Koca

Von Christoph Koca
Austria Guide, Kunstspaziergang.com

Stadtarchiv-Salzburg-Sammlung-Rudolph-Klehr.-Das-Castelli-Haus-1957.-Sign.009.070035

Foto: © Stadtarchiv Salzburg, Sammlung Rudolph Klehr. Das Castelli Haus, 1957. Sign.009.070,035

Zuvor stimmte der Verwaltungsgerichtshof dem Antrag des Magistrates vom Amt der Landesregierung zu, die Fensterbrüstungen mussten weg. In den 1956 von der Bauherrin Amalie Gräfin zu Castell-Castell eingereichten Bauplänen, war die extravagante Fassadengestaltung nicht enthalten.

Die Pläne für den Wiederaufbau der durch Fliegerbomben zerstörten Häuserzeile stammten vom Wiener Architekten Bruno Doskar. Doskar, über den die Salzburger Nachrichten 1949 berichteten, dass er mehrere Geschäftslokale in der Linzergasse dekorativ gestaltet habe, plante mit der Linzergasse 22–24 ein Haus, das sich so gar nicht in das Altstadtgefüge einfügen wollte.

Der Protest richtete sich nach der Eröffnung 1957 aber weniger gegen die architektonische Gestaltung, etwa gegen die zurückversetzte Einkaufszone im Erdgeschossbereich, sondern gegen die Kunst am Bau. Der Stadtverein, das Hochbau- und das Denkmalamt wollten dem Haus, das im Volksmund scherzhaft „Zahnwurzenhaus“ genannt wurde, die Zähne reißen lassen.

Gegengutachten, die die Bauherrin von Professoren der TU-Graz und der Akademie für angewandte Kunst vorlegte, zeigten keine Wirkung. Selbst ein Gutachten von Prof. Fritz Wotruba konnte die Gegner des Kunstwerks nicht umstimmen. Die Parapettflächen mussten geschlossen werden. Der Künstler hinter den Säulen war Rudolf Hoflehner, ein Schüler Fritz Wotrubas, der auch den Eisernen Vorhang des Großen Festspielhauses gestaltete, übrigens der größte Eiserne Vorhang der Welt.

Bezugnehmend auf die Qualitäten des Baus hebt Architekturhistoriker Norbert Mayr in seinem Buch „Stadtbühne und Talschluss“ u. a. die großzügige Raumhöhe von 2,65 m, die riesigen Panoramafenster und die gegrillte Aluminiumverkleidung der Aufzuganlage hervor. Doskars Gebäude versprüht mediterranen Flair, einige der 20 Wohnungen haben morgens Sonne von der Kapuzinerberg- und nachmittags von der Linzergassenseite.

Architekt Doskar hatte später keinen leichten Stand in Salzburg. Anlässlich des Projekts Gartensiedlung nächst der Erhardkirche in Nonntal, sprach man in den SN von einem „geradezu barbarischen Einbruch(s) in die Stileinheit“ (Salzburger Nachrichten, 12.11.1965. S. 7). Doskar sah sich anschließend sogar genötigt, in einem Leserbrief dazu Stellung zu nehmen. Demnach war seine Planung aus städtebaulichen Gründen ursprünglich fünf Meter niedriger, der Bauherr verlangte aber eine Geschäftszone im Erdgeschoss und ein zusätzliches Wohngeschoss. Als sich Doskar weigerte dies auszuarbeiten, erstellte die „Gartensiedlung“ im eigenen Wirkungskreis derartige Pläne.   

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