Das Salzburger Marionettentheater verzaubert sein Publikum seit über 100 Jahren und wurde 2016 in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. Anlässlich des 250. Geburtstages von Ludwig van Beethoven (1770-1827) hat Thomas Reichert die einzige Oper des Komponisten speziell für das Salzburger Marionettentheater erarbeitet. Premiere war im September 2019 beim Beethovenfest in Bonn. Dann kam Corona und so fand die Salzburg-Premiere auf der unverkleideten Reisebühne erst 2022 in der SZENE Salzburg statt.
Die aufwühlende, moderne Inszenierung wurde ins Repertoire aufgenommen und begeistert nun das Publikum in Salzburg und natürlich auch auf diversen Tourneen und Gastspielen. Die Vorstellung am 13. Juli 2024 zeigte eindrucksvoll, dass kleine Holzpuppen große Emotionen wecken können. Ein ganz heißer Tipp!
Leonore hat von ihrem Gatten Florestan seit zwei Jahren nichts mehr gehört. Sie vermutet, dass er in einem Gefängnis schmachtet, da er im Begriffe war, einen mächtigen Mann der Korruption zu überführen. Sie ändert ihren Namen und ihre Identität und nimmt als Fidelio einen Hilfsjob in einem Gefängnis an. Marzelline, die Tochter des Gefängniswärters Rocco, verliebt sich in den hübschen jungen Mann. Das gefällt ihrem Verlobten Jaquino natürlich gar nicht. Als Leonore herausfindet, dass ihre Gatte wirklich hier in einem Verlies gefangen gehalten wird und bald schon ermordet werden soll, setzt sie alles daran, ihn zu retten.
Während der Ouvertüre spaziert Leonore noch durch einen spanischen Garten. Die Sorge um ihren verschwundenen Mann lässt ihr aber keine Ruhe. Das Publikum darf zusehen, wie sie sich mit Hilfe einer Puppenspielerin in einen schicken jungen Mann verwandelt. In der ersten Szene streitet Marzelline vor einer weißen Wand mit rankenden Blumen mit ihrem Verlobten Jaquino. Der hat wirklich keine Chance, denn auch Rocco ist von dem neuen Schwiegersohn, der fleißig und höflich ist, sehr angetan. Als die Wand verschwindet, befinden wir uns mitten im Gefängnis: „Welcome to Hell! No Pity here!“ Auch die Puppenspieler sind jetzt fast nicht mehr zu sehen.
Das Bühnenbild erinnert an eine moderne Operninszenierung und die gesichtslosen Figuren schaffen es mühelos, die Fantasie zu beflügeln. Bewegend die Szene, in der Rocco die Gefangenen kurz an die frische Luft lässt, und wenn die armseligen, leidenden Gestalten aus ihren Zellen kommen: „O welche Lust, in freier Luft den Atem leicht zu heben.“ Gouverneur Don Pizzaro, der Florestan noch schnell aus dem Weg räumen will, bevor der Minister des Königs zur Visite kommt, wirkt in seinem schwarzen Ledermantel brandgefährlich. Doch Leonore kennt keine Furcht und stellt sich ihm mutig in den Weg.
Musik, Sprache und Gesang kommen vom Band. Die historische Aufnahme des Bayerischen Staatsorchesters unter dem Dirigenten Ferenc Fricsay und mit grandiosen Sänger*innen stammt aus dem Jahre 1957, die Texte wurden für diese Fassung neu erarbeitet. Ein ganz besonderer Opernabend, denn das Salzburger Marionettentheater hat wirklich viel zu bieten.
Seit dem großartigen „Karneval der Tiere“ bin ich ein Fan der Fadenpuppen und verfolge daher das Programm, das nicht nur die beliebten Klassiker, wie „Die Zauberflöte“ und „The Sound of Music“, zu bieten hat. Weitere Highlights sind im Herbst zu erwarten, wenn mit internationalen Ensembles drei Tage lang gefeiert wird. Zum 111. Geburtstag des Salzburger Marionettentheater findet von 24. bis 27. Oktober 2024 „Puppets! Das Festival“ statt. Am 24. Oktober 2024 gibt es daher wieder eine Neuproduktion von Thomas Reichert, eine zeitgenössische Inszenierung von William Shakespeares „Romeo und Julia“ mit 19 neuen Marionetten.
„Fidelio“ – Ludwig van Beethoven. Oper in zwei Akten op. 72. Konzeption und Regie: Thomas Reichert. Bühnenbild: Michael Simon, Thomas Reichert. Entwurf Puppenköpfe: Alfred Kleinheinz. Kostüme: Kerstin Grießhaber. Musikalische Bearbeitung: Thomas Reichert, Philippe Brunner, Matthias Thurow. Licht: Thomas Reichert, Alexander Proschek. Puppenköpfe: Vladimir Fediakov. Marionettenspieler*innen: Philippe Brunner, Anne-Lise Droin, Vladimir Fediakov, Edouard Funck, Maximilian Kiener, Marion Mayer, Emanuel Paulus, Eva Wiener, Ursula Winzer.
Sänger*innen: Kieth Engen, Dietrich Fischer-Dieskau, Gottlob Frick, Ernst Haefliger, Friedrich Lenz, Leonie Rysanek, Irmgard Seefried. Sprecher*innen: Pauline Fusban, André Jung, Juliane Köhler, Jan-Gregor Kremp, Johannes Meister, Stefan Wilkening. Chor der Bayerischen Staatsoper
Bayerisches Staatsorchester. Dirigent: Ferenc Fricsay. Historische Aufnahme: Deutsche Grammophon 1957. Die Dialoge wurden im November 2018 aufgenommen. Sämtliche Marionetten sowie die gesamte Ausstattung wurden in den Werkstätten des Salzburger Marionettentheaters hergestellt. Fotos: © Salzburger Marionettentheater
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