Ist Österreichs Neutralität noch zeitgemäß?

Östrerreich´s Neutralität

Östrerreich´s Neutralität | Foto: Karl Traintinger, Dorfbild

70 Prozent der Bevölkerung für „militärisches Vakuum“

Der russische Krieg gegen die Ukraine verändert Europa – und fügt Präsident Putin eine erste Niederlage zu. Denn die Regierungen der beiden EU-Staaten Finnland und Schweden wollen ihre bisherige Neutralität bzw. Bündnisfreiheit aufgeben und der NATO beitreten.

Tomas Friedmann

Von Tomas Friedmann
Literaturhaus Salzburg

Dem 1949 gegründeten Verteidigungsbündnis muss man nicht unkritisch gegenüberstehen, doch es dient dem gemeinsamen Schutz der eigenen Territorien und verfolgt weltweite politische Stabilität; bei einem Angriff auf ein NATO-Land stehen alle anderen NATO-Staaten diesem solidarisch bei (Bündnisfall).

Österreich ist – ausgenommen die neutrale Schweiz, die nun eine engere Kooperation mit der NATO anstrebt – umgeben von NATO-Staaten. Schützt uns das? Österreich hat keine brauchbare Luftwaffe, ist militärisch schlecht ausgerüstet und verfügt weder über ein starkes Berufsheer noch eine schlagkräftige Miliz. Österreich kann sich also aktuell nicht selbst verteidigen – und erfüllt damit auch nicht die „immerwährende Neutralität“ nach dem Vorbild der Schweiz (s.u.). Bei den Militärausgaben ist unser Land in der EU an vorletzter Stelle -> https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2139984-Der-militaerische-Unterschied-zu-Schweden-und-Schweiz.html

Neutralität adé?

Nicht im Staatsvertrag, sondern im Bundesverfassungsgesetz („Neutralitätsgesetz“) vom 26. Oktober 1955 – daher ist dieser Tag der österreichische Nationalfeiertag – ist die „immerwährende Neutralität“ Österreichs festgeschrieben. Im Bundesgesetzblatt, ausgegeben am 4. November 1955, heißt es:

(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.

(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinen Gebiet nicht zulassen.

Die selbstgewählte österreichische Neutralität bedeutet international so etwas wie „Unparteilichkeit“ im Fall kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen anderen Staaten. Außerdem hat Österreich freiwillig auf die EU-Beistandspflicht verzichtet, d.h. dass auch im Fall eines bewaffneten Angriffs müsse die (militärische) Neutralität Österreichs respektiert werden. Ist das angesichts der russischen Agression gegen die Ukraine, gegen Georgien etc. klug? Politisch, kulturell und ökonomisch orientiert sich Österreich eindeutig am Westen (Europa, USA) und nicht nach Osten. Für die militärische Teilnahme an NATO-Friedensmissionen wurden Kriege (z.B. der Golfkrieg) uminterpretiert und nicht als Konflikte, sondern als Aktionen bezeichnet. Wie neutral sind wir wirklich? Und ist die österreichische Neutraltität zeitgemäß? -> https://fachinfos.parlament.gv.at/politikfelder/parlament-und-demokratie/was-macht-die-oesterreichische-neutralitaet-aus/

Wenn Finnland und Schweden in die NATO aufgenommen werden, die Schweiz enger mit der NATO zusammenarbeiten will, dann bleiben als „neutrale“ Staaten in Europa noch Irland und Österreich übrig. Irland hält sich an die Russland-Sanktionen, treibt aber weiterhin Handel mit Russland, bietet jedoch auch auf dem Flughafen in Shannon den US-Militärflugzeugen einen wichtigen Landeplatz, und der ukrainische Präsident Selenskyj sprach – im Unterschied zu Österreich – per Video-Schaltung im irischen Parlament -> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162589.nato-mitgliedschaft-irland-ringt-mit-der-neutralitaet.html Bei den Militärausgaben liegt Irland sogar noch hinter Österreich an letzter Stelle. In beiden Ländern sind nur rund 30 Prozent für die Aufgabe der Neutralität und für einen NATO-Beitritt, 70 Prozent wollen den Status quo eines militärischen Vakuums (aktuell schwache Landesverteidigung), allerdings ist die geographische Lage Österreichs eine ganz andere als jene Irlands. Jedenfalls hat in beiden Ländern eine Diskussion über die Neutralität begonnen, denn eine Mitgliedschaft im westlichen Verteidigungsbündnis bietet eben Schutz und Vorteile angesichts einer unsicheren, unberechenbaren Weltlage und der russischen Bedrohung, die wohl auch nach dem Ukraine-Krieg nicht aufhören dürfte …

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Dorfladen

1 Kommentar zu "Ist Österreichs Neutralität noch zeitgemäß?"

  1. Heinrich Frei Heinrich Frei | 2. Juni 2022 um 08:59 |

    Warum wird nicht von Kriegsministerien gesprochen?
    Thomas Friedmann schreibt: «Dem 1949 gegründeten Verteidigungsbündnis muss man nicht unkritisch gegenüberstehen, doch es dient dem gemeinsamen Schutz der eigenen Territorien und verfolgt weltweite politische Stabilität; bei einem Angriff auf ein NATO-Land stehen alle anderen NATO-Staaten diesem solidarisch bei.“
    Aber war die Nato überhaupt jemals ein «Verteidigungsbündnis» und nicht eher ein Bündnis des Krieges unter der der Führung der USA? Haben Nato-Staaten nicht eher zur Unstabilität geführt, besonders im Nahen Osten? Speziell gefährlich sind die Nato-Staaten die an der so genannten «nuklearen Teilhabe» beteiligt sind, dabei wird der Einsatz von Atombomben geübt, in Deutschland mit Tornado Jets. Auf Stützpunkten auf denen Atombomben gelagert werden könnte einmal durch eine technische Panne ein atomarer Schuss losgehen.
    Auf einem Militärstützpunkt in Belgien stehen 20 Atombomben zum Einsatz bereit, in Deutschland auch 20, in Büchel, In Italien lagern 40 Atombomben, 20 Sprengkörper in Aviania und 20 in Ghedi. In den Niederlanden sind 20 atomare Sprengköroger und in der Türkei auf dem Luftwaffenstützpunt Incirlik sind 50 Bomben. Der Nato Staaten Großbritannien verfügt über 225 atomare Sprengkörper und Frankreich hat 290 Atombomben.
    Wenn nur wenige dieser Bomben, durch eine Panne oder durch ein Missverständnis zum Einsatz kommen würden, könnte diese katastrophale Auswirkungen haben, Millionen Tote, und ein nuklearer Winter gefolgt von weltweiten Hungersnöten.
    Russland führt seit über drei Monaten Krieg in der Ukraine. Aber in den Medien wird immer noch vom «Verteidigungsministerium» in Moskau gesprochen, nicht von einem «Kriegsministerium». Das gleiche ist auch bei der Nato der Fall. Auch bei Nato-Staaten werden diese Kriegs-Bürokratien «Verteidigungsministerien» genannt. Dabei haben Nato-Staaten, unter der Fuchtel der USA immer wieder Kriege geführt, auf dem Balkan, im Irak, in Afghanistan, in Libyen, in Syrien usw. – Deutschland hat angeblich seine Freiheit auch in Afghanistan vereidigt. – Diese Kriege von Nato-Staaten dokumentierte Daniele Ganser in Büchern: «Illegale Kriege, eine Chronik von Kuba bis Syrien» und im Buch, «Nato Geheimarmee in Europa, inszenierter Terror und verdeckte Kriegführung». Auch der Journalist Armin Wertz beschrieb diese Kriegspolitik, speziell der USA in seinem Buch: «Die Weltbeherrscher».

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