Das Gewicht der Ameisen

Ein cooles, rasantes Jugendstück

In den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters ist derzeit die Österreichische Erstaufführung der wütenden Komödie des kanadischen Autors David Paquet zu sehen. Jeanne und Olivier, zwei rebellische Jugendliche, versuchen, sich gegen die Apathie der Erwachsenen zu wehren, und setzen auf die Solidarität der Jugend. Ob ihnen das wohl gelingen wird? Die flotte, freche Inszenierung von Christina Gegenbauer kam bei den Jugendlichen in der Schulvorstellung am 2. Mai 2023 bestens an.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Die Schule von Jeanne und Olivier ist ein Albtraum. Der völlig demotivierte Direktor weiß, dass seine Schule zu den schlechtesten des Landes zählt. Er wartet nur noch darauf, endlich in Pension gehen zu dürfen. Auch der übrige Lehrkörper ist nicht besonders gut drauf.

Der Musiklehrer hat ein Burnout und die Mathematiklehrerin war früher Erzieherin in einem Kindergarten und das merkt man ihren seltsamen Lehrmethoden leider an. Zur Finanzierung eines Turnsaals musste der Direktor auf einen Sponsor zurückgreifen. Dieser ließ die Schultoiletten mit sprechender Shampoo-Werbung ausstatten. Als Jeanne von einem dieser Models wegen ihrer Haare und ihres Aussehens völlig fertig gemacht wird, reicht es ihr und sie wird zur Aktivistin.

Olivier hingegen macht sich Sorgen um die Welt. Er träumt ständig von all den Gefahren, die der Welt heute drohen. Er sucht Hilfe in einer Buchhandlung. Die freundliche, doch ziemlich betrunkene Verkäuferin schenkt ihm ein Buch, die „Enzyklopädie des nutzlosen Wissens“. Er ist begeistert, denn alleine die Tatsache, dass Schnecken 14.000 (lt. Wikipedia sogar 22.000) Zähne haben, fasziniert ihn.

Der Direktor will, dass sich Jeanne und Olivier als Schulsprecher für die „Woche der Zukunft“ aufstellen lassen. Niemand hat jedoch mit einem dritten Bewerber gerechnet. Der wilde Mike punktet mit dem Wahlversprechen „Pizza für Alle!“. Wer diese Wahl wohl gewinnen wird? Sind Optimismus und Engagement heute wirklich nicht mehr gefragt? Doch Jeanne und Olivier geben nicht auf. Sie wollen ein Zeichen setzen und subtilen Widerstand leisten. Aus der „Enzyklopädie des nutzlosen Wissens“, haben sie gelernt, dass alle Ameisen dieser Welt zusammengerechnet schwerer sind als alle Menschen. Das gibt Hoffnung.

Ich habe selten eine so freche Jugendproduktion (ab 13 Jahre) gesehen. Christina Gegenbauer lässt in ihrer Inszenierung die Schauspieler*innen über 20 schräge Charaktere verkörpern, die wie in einem Spiel ständig von Level zu Level springen. Nicola Kripylo überzeugt als wütende Jeanne, die zur Beruhigung immer wieder zu ihren Barbie-Puppen greift.

Thomas Wegscheider gibt nicht nur den verzweifelten Olivier, er hat auch als Shampoo-Model einen grandiosen Auftritt. Mit fiesen Influencern kennen sich die Kids scheinbar besonders gut aus, der Jubel ist groß. Hussam Nimr ist als frustrierter Direktor stets mit Megaphon unterwegs, macht sich aber auch als Engel Raoul gut. Janna Ramos-Violante verkörpert neben der betrunkenen Buchhändlerin noch sechs weitere Rollen.

Die Erwachsenen kommen in David Paquets skurriler Komödie gar nicht gut weg. Sie haben bereits resigniert und reagieren mit Zynismus. Die Botschaft des Autors, dass nun die rebellische Jugend dran ist, kommt hoffentlich an. Die verzweifelten Klima-Kleber sind jedenfalls schon unterwegs.

„Das Gewicht der Ameisen“ von David Paquet. Inszenierung: Christina Gegenbauer. Bühne und Kostüme: Frank Albert. Musik: Nikola Efendi. Mit: Nicola Kripylo, Thomas Wegscheider, Hussam Nimr, Janna Ramos -Violante. Fotos: SLT/ © Tobias Witzgall. Video: SLT

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