Elektrische Genussreise in den slowenischen Karst

Wenn sich in Salzburg die ersten Frühlingsanzeichen bemerkbar machen, die sich dann, wenn die Nächte wieder in die Minusgrade kippen, als Täuschung herausgestellt haben, überkommt einen die erste Reiselust.

Leo Fellinger

Von Leo Fellinger

Vor der Tür ein funkelnagelneuer ID.Buzz, 350 km weiter südlich ein lockendes Grenzland, das sich Karst nennt, knapp oberhalb der Adriaküste, einer Region, die bereits sehr mediterran geprägt ist und sich durch warme, trockene Sommer und relativ milde Winter auszeichnet. Das ist gut für alles, was dort wächst, zum Beispiel für den Wein, aber auch für uns, denn eine Kurzreise dorthin kann die Wartezeit auf wärmere Phasen schon sehr verkürzen.

Natürlich weiß man um die Existenz des slowenischen Karstes, aber immer, wenn man sich für eine Kurzreise in diese Richtung entscheidet, wird es das italienische Collio und nicht das slowenische Brda, das ebenfalls übersetzt Hügel bedeutet. Hügel, deren Grenzland verschwimmt zwischen zwei Kulturen, die ähnlich, aber doch so unterschiedlich sein können. Diesmal haben wir uns für die slowenische Variante entschieden, eine Kurzreise zu Land und Leuten, Natur, Ursprung, Kulinarik und Wein – in einem Wort zusammengefasst: Genuss.

Wir brechen auf in Richtung einer vielfältigen Landschaft, man kann den Duft des Meeres schon erahnen, hat die grüne Landregion Istriens vor sich, das fruchtbare Weinland, Karstschinken, Salami und Olivenöl. Wir starten frühmorgens, weil wir noch vor Mittag eine Spezialität der Region verkosten wollen. Ein Tipp: Man sollte nicht in San Daniele stoppen, wenn es um Prosciutto geht, sondern am besten noch ein paar Kilometer weiter ins kleine Cormons fahren, zu Osvaldo. Der kleine Betrieb ist ein Garant für überragende Qualität. Hergestellt wird der Prosciutto d’Osvaldo als klassischer prosciutto dolce, die Osvaldos räuchern ihn anschließend aber noch für kurze Zeit in einer Kammer mit verschiedenen Kräutern und Gewürzen und so gehört der Prosciutto d’Osvaldo unserer bescheidenen Ansicht nach zum Besten, was Italien in Sachen luftgetrocknetem Schinken zu bieten hat. 

Unser nächstes Ziel: Das Weingut “Atelier Kramar”, im westlichen Teil der Stadt Brda gelegen, gleich hinter der italienischen Grenze, in einem von Wäldern umgebenen Gebiet. Dort treffen wir Matjaž und Katja Kramar, die beide einen künstlerischen Hintergrund haben: Matjaž ist Bildhauer, Katja ist Malerin. Kennengelernt haben sie sich in Venedig beim Kunststudium, er Name “Atelier Kramar” leitet sich also direkt von ihrer künstlerischen Berufung ab. Die Winzerschaft stellte sich erst spät ein, aber dafür umso stärker. Mit fünf Hektar, 15000 Rebstöcken und 10000 Flaschen pro Jahr ist das Weingut eine verhältnismäßig kleine Einheit, aber mit großer Aufmerksamkeit für Qualität. Die Weinsorten, die sie produzieren, sind Rebula, Friulano und Merlot. Matjaž liebt es, zu experimentieren, und er mag es, wenn die Wein in jeder Saison neue Überraschungen bereit hält. Ein Künstler. Und ein schönes, sympathisches Paar. 

Wir fahren weiter nach Štanjel, ein mittelalterliches Dorf, Perle der Karstarchitektur und einzigartiges Kulturdenkmal. Es erstreckt sich als terrassenförmiges Dorf auf dem Hügel Turn, mit Schlosskomplex, Wehrtürmen, und einem zitronenförmigen Glockenturm. Die zahlreichen aneinandergereihten Häuser und der Ferrari-Garten sind das bekannteste architektonische Erbe der alten Siedlung, die seit Jahrtausenden ihre Gestalt verändert und zugleich die wahre Seele des Karstes erhalten hat. Heute ist Štanjel ein wichtiges Kulturzentrum des Karstes, wo zahlreiche kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen stattfinden.

Zum Abendessen geht es ins Bistro Grad Štanjel im Herzen der mittelalterlichen Burg. Die Bezeichnung Bistro ist allerdings irreführend. Auch wenn die Zutaten immer hausgemacht sind, mit authentischen Gerüchen und Geschmäckern des Karsts und Einfachheit versprechen, findet man sich hier in einer hochkreativen und komplexen Kulinarik-Welt wieder, die von einer einzigen Familie begründet und erschaffen wurde. Die Familie kocht und serviert, sie trocknet Schinken, investiert in Oliven, berät über Karstweine und weiß eigentlich über alles Bescheid, was es in der Gegend sonst noch gibt. Das 6-gängige Menü enthält Zutaten, die direkt von den Erzeugern in die Küche kommen. Das ist es, was die Küche hier so großartig macht: Sie ist frisch, lokal, schmackhaft und kreativ…

Der nächste Tag beginnt mit einem fulminanten Frühstück im schon am Vortag bezogenen Biohotel St. Daniel in Hruševica, liebevoll geführt von Nina und Miran, die ihrem eigenen Leitbild folgen: “Wir sind soziale Wesen, abhängig von unserer Umwelt. Daher wirkt sich unser Gemeinschaftsbewusstsein auf das gesamte Ökosystem aus. Wir wollen Vorbild sein und unseren Gästen ein besonders nachhaltiges Wohnerlebnis bieten.” Wir können nur sagen: Ja, das stimmt. Schöner wohnen. Was uns auch gefällt: Zwei E-Autos in der Garage und eine riesige Photovoltaik-Anlage am Dach geben Auskunft über die Einstellung der beiden zu einer zeitgemäßen Mobilität.

Dann geht es in die “Škocjanske jame”, die Höhlen von Škocjan, angeblich eine sensationelle Attraktion. Eine Besonderheit: Fotografieren absolut verboten. Die Mitarbeiter*innen fordern Respekt für dieses großartige, aber hochsensible Ökosystem ein, dazu gehören einige Regeln, darunter auch das Verbot des Abbildens. Ein Abbilden, das in Zeiten von Hochleistungskameras in Smartphones zu einem Bilderwettlauf geführt hat, eine permanentes Inbesitznehmen von allem, was uns begegnet, Festhalten, nach Hause bringen. Dabei verlieren wir oft das Gefühl für die Magie des Ortes selbst. Ein Gedanke, der mich seither beschäftigt.

Unter allen Karsthöhlen der Welt, die ein wertvolles Naturerbe darstellen, sind die Höhlen von Škocjan wirklich etwas Besonderes. Der größte unterirdische Canyon der Welt ist  aber nicht die einzige Attraktion des außergewöhnlichen Regionalparks Škocjanske jame. Hier sind die charakteristischen Formen der Karst-Landschaft wie auch die einzigartige und äußerst vielfältige Flora und Fauna auf relativ kleinem Raum vereint zu erleben. Der Regionalpark befindet sich im äußersten Südosten des Karsts in der Nähe von Divača. Die Höhlen bestehen aus zahlreichen Höhlen und Gängen, Einbruchstälern, natürlichen Brücken und Schlucklöchern. Sie wurden vom Fluss Reka geschaffen, der nach einem 50 km langen Oberflächenfluss hier in den Karstuntergrund verschwindet und in den Quellen entlang des Golfs von Triest wieder an der Oberfläche auftaucht. Die unterirdische Schlucht mit außergewöhnlichem Ausmaß ist der bekannteste Teil der Höhlen von Škocjan. Seit 1986 stehen sie auf der Liste des UNESCO-Weltkultur- und -naturerbes. 

Der dritte Tag ist nun wieder der Önologie gewidmet. Erneut steht eine besonderes Paar im Mittelpunkt: Sandra und Matej Bizjak, eine Biologin und ein Mathematiker: zusammen sind sie Santei. Ihre Vision, das Beste aus dem lokalen Terroir herauszuholen und zugleich der Natur den nötigen Respekt zu zeigen, und durch diese Kombination den Weinliebhabern ein neues, naturnahes und unvergessliches Weinerlebnis zu bieten, hat sie bewogen, ihre angestammten Berufe aufzugeben und in den Karst zu ziehen. Hier, in Štanjel, haben sie dem “Hamsterrad des Lebens” den Rücken gekehrt und sich in dieses Winzerleben auf dem slowenischen Land zurückgezogen. Sie tauschten die Hektik gegen zugegeben mehr Arbeit in den Weinbergen – aber auch gegen einen Lebenshaltung, die viel mit Achtsamkeit und Respekt von den natürlichen Kreisläufen der Natur zu tun hat.

Wenn man mit diesen beiden Menschen am Tisch sitzt, ihre Augen leuchtend, wenn sie von ihrem Produkt sprechen, den Wein beschreiben, die Probleme, die damit verbunden waren, das Klima, die Trockenheit, und was alles noch so passieren kann, das Glücksgefühl in den Tagen der Ernte, des richtigen Zeitpunkts, dann kann man ermessen, was dieses Leben hier bedeutet und wie hoch dieses Produkt eigentlich zu bewerten ist. Mit seiner Liebe und seinem Wissen schwört das Ehepaar Bizjak auf den ökologischen und biodynamischen Anbau von Reben.

Das Anwesen Santei liegt zwischen dem Vipava-Tal und dem Karst, im oberen hügeligen Teil des Vipava-Tals, wo das Klima auf ganz besondere Weise die Reben umschwärmt. Die beiden suchen keine Abkürzungen oder Umwege. Für sie ist nur das Beste gut genug. Ihr engagiertes  und unermüdliches Schaffen spiegelt sich in der Spitzenqualität von Naturweinen, Spirituosen und sogar im Santei-Gin wider. Angebaut werden Zelen, Malvazija, Rebula, Merlot, Pinot Noir und Cabernet Franc. All diese außergewöhnlichen Weine sind biozertifiziert und besitzen darüber hinaus das Biodynamik-Zertifikat Demeter. Ein Weinbaujuwel der ersten Güte.

Dann fahren wir ins nahegelegene Volčji Grad und besuchen das Gasthaus und Restaurant der Familie Kamnarjevih. Es fällt uns auf, dass wir es eigentlich immer mit Familienbetrieben zu tun haben. Dieser sagt von sich: “Ein Familienunternehmen ist eine nie endende Reise, die sich ständig weiterentwickelt. Gerade wenn wir denken, dass wir etwas beherrschen, ändern sich die Dinge und wir müssen uns schnell und effizient anpassen.” 2004 kauften sie ein verlassenes Bauernhaus mit allen dazugehörigen Grundstücken. Von Anfang an versuchten sie, dem Hof seine Seele zurückzugeben mit dem Wunsch, ihn in einer etwas moderneren Form wieder zum Leben zu erwecken. Die Gastronomie kam erst später dazu, die Biodynamik auch, basierend auf dem Verständnis, dass es die Aufgabe des Menschen ist, Verantwortung für sein Leben auf der Erde zu übernehmen. Wir erleben eine einfache, ehrliche Küche, gekocht von der Mama, serviert vom Sohn, der zwischendurch mal zurück in den Bauernhof muss, um die Schafe in den Stall zu bringen, wenn er die Gerichte in der winzigen Küche anrichtet, singt er dabei. 

Der allerletzte Abend steht ganz im Zeichen der Kulinarik. Die Frage, die wir uns gestellt haben, war: Wie interpretiert man den Geschmack des slowenischen Karsts neu, ohne die Wurzeln zu verleugnen, die ursprünglichen Düfte und Gaumenfreuden zu erhalten, die nach wie vor in der Lage sind, Geschichten über das karstige Land erzählen und doch irgendwie eine Weiterentwicklung darstellen? Die Antwort fanden wir in Komen, eine kleine Gemeinde mitten im geologischen Zentrum des Karsts. Den Anfang nahm es im Jahr 1973 als die Familie  Špacapan ein altes ländliches Gasthaus erworben hat.  Heute ist Špacapanova hiša eine Institution. Ihre Küche basiert auf den erstklassigen Zutaten des eigenen Hofes oder der umliegenden Bauernhöfe. Und auf einer Portion Fantasie.

Wir nehmen das Degustationsmenü, auch die Weinbegleitung, bei der einige der Tropfen auch aus dem eigenen Haus stammen. Es gibt mehr als nur ein Amuse Bouche, und die kunstvollen Miniaturen werden auf einem Teller aus Omas Schrank, einem Ast oder auf dem Geweih eines Damhirsches serviert. Der hausgemachte Aufschnitt schmeckt mit dem selbst gebackenen Sauerteigbrot fantastisch. Drei Monate trocken gereifter Rinderrücken kommt auf englische Roastbeef-Art mit Eiercreme und Wacholder, dazu Buchteln mit getrockneten Tomaten und Rosmarin und Butter mit gebackener Hefe bestreut. Dann einen Bärlauchsuppe mit feinst geriebenen und gebackenen Kartoffeln, Forellenkonfit mit knusprigen Spargel- und Spinat-Chips und Forellen-Rogen, dazwischen grünes Apfel-Sorbet mit Ingwer im ganzen Apfel serviert. Der Hauptgang besteht aus einem im Freilandofen gebackenen Lamm mit in Buchweizen-Popcorn gewälzten Spargelspitzen, gefolgt von der Nachspeise, einem Brownie auf Kuhjoghurt-Eis von Zidarič, den Abschluss bilden Crème Brûlée in der Walnuss-Schale serviert, Pavlova Torte mit kandierten Mandarinenzesten und Schokoladenoliven am Baum serviert mit knusprigen Grammeln.

Wir haben Glück, der inzwischen das Erbe angetretene Sohn des Hauses Ago Špacapan ist unser Host für den Abend, er bringt, erklärt, huscht zwischen Tisch und Küche hin und her, dazwischen seine bestimmt über 70jährige Mutter, die still mitarbeitet und immer präsent im Raum ist. Die Geschichte des Karstbodens und ihre Liebe zu ihm erzählt die Familie zwischen den Zeilen mit Prosciutto und anderen Wurstwaren, die in ihrem Keller hängen, mit selbst gereiftem Käse, Weinen, Spirituosen, Essig und anderen hausgemachten Produkten, die wir am Ende des Abends bei einer Kellerführung mit Ago noch erklärt bekommen. Das alles ist wie ein Geschenk, man spürt und schmeckt in der echten und ehrlichen Wärme die Aromen des Karsts, die hier mit Hilfe moderner Küchentechniken und Präsentationen in die Jetztzeit übertragen werden.

Ein etwas anderer Roadtrip, eine lustvolle Reise, geprägt von Begegnungen mit eindrucksvollen Menschen, die alle eines gemeinsam haben: Sie folgen einer Passion, einer Leidenschaft, sie haben ihr Leben genau danach ausgerichtet, auch wenn das manchmal mit Entbehrungen verbunden ist. Die wunderbaren Produkte, die sie am Ende des Tages auf den Tisch oder ins Glas bringen, ist ein gerechter Lohn dafür. Weil sie damit Freude und Genuss erzeugen. Der slowenische Karst bringt großartige und authentisch schmeckende Naturweine hervor, die sich mit den besten Weinen der Welt messen können, und Slowenien darf stolz darauf sein, dass sich unter den 58 Restaurants, die der Guide Michelin zwischen Alpen und Adria auflistet, gleich zehn Sterne-Häuser befinden.

Wir durften diesen 5-tägigen elektrischen Roadtrip mit besten Freunden genießen. Die schönen Dinge zu teilen, ist etwas Besonderes. Und wir durften diese Reise – wie alle unsere anderen – CO2-frei mit unserem ID-Buzz machen. Entspannt, lautlos und komfortabel. 1100 km waren wir unterwegs, im Schnitt haben wir 25,8 kW/100km verbraucht (4 Personen plus Gepäck), die Lade-Gegebenheiten in dieser Region sind überraschend gut, siehe unsere Tipps.

Adressen:
D’Osvaldo Prosciutti, Via Dante 40, 34071 Cormons, www.dosvaldo.it
Atelier Kramar, Katja Distelbarth & Matjaž Kramar, Barbana 12, 5212 Dobrovo, www.atelier-kramar.si
Hotel St. Daniel, Hruševica 1b, 6222 Štanjel, www.stdaniel.si
Bistro Grad Štanjel, Štanjel 1A, 6222 Štanjel, www.gradstanjel.si
Park Škocjanske jame, Matavun 12, 6215 Divača, www.park-skocjanske-jame.si
Weingut Santei, Dolanci 9, 6222 Štanjel, matej@santei.si, www.santei.si
Farm Restaurant Pri Kamnarjevih, Volčji Grad 40, 6223 Komen, www.kamnarjevi.com
Špacapanova hiša, Komen 85, 6223 Komen, www.spacapan.si

E-Lade-Tipps: 

Bistro Grad Štanjel: Unmittelbar vor dem Schloss Štanjel befindet sich eine 11kW-Ladestation mit 2 Anschlüssen, bei einem mehr als 3-stündigen Abendessen haben wir immerhin fast die Hälfte unseres ID.Buzz-Akkus wieder gefüllt.

Park Škocjanske jame: Best Practice für E-Mobilisten. Gleich neben dem Besucherzentrum findet man 6 Ladepunkte mit je 11kW, gratis für die Parkbesucher. Fazit für uns 100% Ladestand beim Verlassen des Naturparks. Super!

Špacapanova hiša: eine 11kW-Ladestation befindet sich direkt vor dem Restaurant.

Dieser elektrische Roadtrip ist jetzt im Lovelectric-Blog ungekürzt und reich bebildert zum Nachlesen und Nachreisen:  https://www.lovelectric.at/2023/04/10/elektrische-genussreise-in-den-slowenischen-karst/

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