Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Katharina Blum

Der Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll (1917 – 1985) hat sich als Schriftsteller stets kritisch mit Politik, Religion und Traumata der Nachkriegszeit auseinandergesetzt. In der 1974 erschienenen Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“ geht es um den Sensationsjournalismus der Boulevardpresse. Tabea Baumann hat den von Jérôme Junod für die Bühne bearbeiteten Text als packendes Kammerspiel in Szene gesetzt. Für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen empfehlenswert.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Der Journalist Tötges ist von der 27-jährigen Hauswirtschafterin Katharina Blum kaltblütig ermordet worden. Was war geschehen? Alles begann vor vier Tagen, als Katharina bei einem Hausball ihrer Patentante einen jungen Mann kennenlernte, in den sie sich sofort verliebte. Sie verbrachte die Nacht mit ihm, doch als die Polizei am nächsten Morgen ihre Wohnung stürmte, war der Herr bereits verschwunden. Katharina wird zur Befragung auf die Polizeiwache gebracht, denn ihr Liebhaber ist Ludwig Götten, ein gesuchter Bankräuber und vielleicht sogar Mörder.

Der Journalist Tötges bezeichnet die junge, hübsche Frau in der ZEITUNG als „Räuberliebchen“ und „Mörderbraut“. Seine menschenverachtende Berichterstattung führt dazu, dass Katharina obszöne, hasserfüllte und beleidigende anonyme Anrufe und Briefe erhält. Tötgen wühlt weiter in ihrer Vergangenheit herum, befragt ihren Ex-Mann und Nachbarn, die nur allzu gerne von ominösen Herren-Besuchen berichten. Er schreckt auch nicht davor zurück, sich ins Spital einzuschleichen, um mit Katharinas schwerkranker Mutter zu sprechen. Nur das Interview, das ihm Katharina selbst geben wollte, lief wohl nicht ganz in seinem Sinne ab.

Erin Droin hat eine weiß verflieste Eckkonstruktion auf die Bühne gestellt, die an die Enge einer Zelle erinnert. Nach und nach werden die weißen Platten entfernt, sodass Katharina buchstäblich der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Johanna Klaushofer überzeugt als zurückhaltende, kühle junge Frau, die sich von den zwei ungehobelten, übergriffigen Polizistinnen nicht aus der Ruhe bringen lässt.

Sophia Fischbacher und Christine Tielkes verursachen mit ihrer leicht grotesken Überzeichnung dieser gefühllosen Gesetzeshüter Gänsehaut. Die beiden Damen machen sich aber auch als Ehepaar Blorna, bei dem Katharina als Haushaltsgehilfin gearbeitet hat, ausgezeichnet. Sie waren sehr zufrieden mit ihr, sie gehörte fast schon zur Familie und durfte gegen Ende von Abendveranstaltung sogar mitfeiern und mittanzen. Auch die Gäste waren von der hübschen jungen Frau sehr angetan.

Ein Freund der Familie, Alois Sträubleder, hat sie anschließend dann nur allzu gerne nach Hause gefahren. In der Rolle dieses verschmähten Verehrers tobt sich Simon Jaritz-Rudle so richtig aus. Als Journalist Tötges hingegen ist ihm kein Trick zu fies, um an Informationen zu kommen und diese dann reißerisch auszuschlachten.

Intendant Robert Pienz musste feststellen, dass Deutschlehrer dieses in 30 Sprachen übersetzte Buch des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll oft nicht mehr kennen, dabei ist es doch aktueller denn je. Mobbing und Shitstorms sind dank Internet weit verbreitet. Ein spannender, absolut wichtiger Theaterabend, der aufzeigt, „wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“.

„Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“ – von Heinrich Böll. Bühnenfassung von John von Düffel. Regie: Tabea Baumann. Ausstattung: Erich Droin. Dramaturgie: Jérôme Junod. Licht: Marcel Busá. Mit: Johanna Klaushofer, Sophia Fischbacher, Simon Jaritz-Rudle, Christine Tielkes. Fotos: Schauspielhaus – Jan Friese

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