„Die Wildente“ – Kann eine Lebenslüge wirklich Glück bedeuten?

Das komplexe Gesellschaftsporträt zählt zu den bekanntesten Stücken des norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen, dem scharfsinnigen Analytiker der bürgerlichen Gesellschaft. Das Aufdecken der Wahrheit und deren schonungslose Erkenntnis machen nicht immer glücklich, sie können auch fatale Folgen nach sich ziehen.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Irmgard Lübke inszeniert im Schauspielhaus Salzburg ein zutiefst beeindruckendes Drama, das in die Untiefen menschlicher Beziehungen blicken lässt. Umjubelte Premiere am 7. Mai 2024 für ein groß aufspielendes Ensemble.

Viele Jahre hat Gregers Werle in der väterlichen Fabrik weit im Norden verbracht. Nun ist er auf Wunsch seines Vaters zurückgekehrt und trifft hier auf seinen Jugendfreund Hjalmar Ekdal, einen ziemlich erfolglosen Fotografen. Die beiden hatten lange keinen Kontakt mehr und so erfährt Gregers erst jetzt, dass Hjalmar mit Gina, die früher bei den Werles gearbeitet hat, verheiratet ist und eine Tochter hat. Der alte Werle unterstützt die Familie großzügig, hat Hjalmars Ausbildung finanziert, ihm ein Fotostudio einrichten lassen und lässt nun dessen Vater, der einige Zeit wegen eines dubiosen Geschäfts im Gefängnis war, als einfachen Schreiber für sich arbeiten. Gregers ist davon überzeugt, dass diese Zahlungen das schlechte Gewissen seines Vaters beruhigen sollen, war er doch nicht ganz unschuldig am Unglück der Familie Ekdal.

Gregers beginnt in alten Gerüchten zu wühlen, um die Wahrheit aufzudecken. Er leidet an „akutem Rechtschaffenheitsfieber“, einer von Dr. Relling diagnostizierten Krankheit, die zu nichts Gutem führen kann. Gregers zieht bei der Familie Ekdal ein und gibt so lange keine Ruhe, bis er dem armen Hjalmar die Wahrheit über seine „heile Familie“ enthüllt hat. Wird dieser lebensuntaugliche Phantast stark genug sein, den Verlust seiner Lebenslüge zu verkraften?

Theo Helm überzeugt als verbissener Wahrheitsfanatiker Gregers Werle, Anthony Connor als sein fauler, lustloser Jugendfreund Hjalmar Ekdal, der mit einer ominösen Erfindung dem Namen Ekdal wieder zu Ehre und Ansehen verhelfen will. Julia Schmalbrock sorgt als seine Gattin Gina, mit großzügiger finanzieller Unterstützung von Håkon Werle (Harald Fröhlich), für ein behagliches, wenn auch bescheidenes Heim. Die Tochter (Johanna Klaushofer) kümmert sich liebevoll um eine zahme, flügellahme Wildente. Marcus Marotte gibt den völlig gebrochenen ehemaligen Leutnant Ekdal, der auf seinem Dachboden auf die Jagd geht, denn nur hier kann er seine alte Uniform noch tragen. Jens Ole Schmieder schaut als bodenständiger Arzt darauf, dass alle mit ihren Lebenslügen auch wirklich gut zurechtkommen. Die Tragödie kann aber auch er nicht verhindern. Susanne Wende komplettiert als zukünftige Frau Werle das Ensemble.

Marlene Lübke-Ahrens hat im Studio ein sehr praktikables, etwas ärmliches Wohnzimmer mit Couch und Esstisch sowie einem hölzernen Verschlag zum Dachboden aufgebaut. Eine weiße Tür deutet auf die wohlhabenden Werles hin.

Irmgard Lübke hat das vielschichtige Drama, in dem die Wahrheit eine Familienidylle zerstört, gefühlvoll, doch mit der nötigen Klarheit in Szene gesetzt. Das Premierenpublikum war schwer beeindruckt und stellt sich vielleicht nun die Frage, auf welcher Lebenslüge das eigene Glück aufgebaut sein könnte. Ist vielleicht die Wahrheit doch nicht jedem zumutbar?

Dorfgockel

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