Esther Bockwyt: Woke

Esther Bockwyt - Paul Wiesmann

Esther Bockwyt | Foto: Westend Verlag © Paul Wiesmann

Autorin: Esther Bockwyt
Titel: Woke – Psychologie eines Kulturkampfs
ISBN: 978-3-98971-039-5
Verlag: Westend Verlag GmbH
Erschienen: 05.02.2024

Klappentext:

Ursprünglich als progressive Identitätspolitik an Universitäten entstanden, hat Wokeness sich mehr und mehr als Bewegung in staatlichen Institutionen und in Denkmustern von Menschen ausgebreitet wie festgesetzt.

Die Psychologin Esther Bockwyt betrachtet den Ursprung und die Folgen der Woke-Bewegung erstmals aus psychologischer Perspektive. Sie sieht Wokeness als den exzessiven wie vergeblichen Versuch, Menschen vor der Übernahme von reifer Verantwortung und unerwünschten Empfindungen zu schützen. Die positive Idee des Schutzes von Minderheiten und des Ausgleichs von Ungerechtigkeiten ist in ein starres, einengendes Schubladendenken mit pessimistischem Welt- und Menschenbild gedreht, sodass eine schwer überwindbare Wand zwischen Benachteiligten und Privilegierten entstehen kann.

So kritisch wie ausgewogen und fernab von schrillen Tonlagen fragt die Autorin: Was bedeutet Wokeness für unsere psychische Gesundheit und das gesellschaftliche Miteinander? Was passiert, wenn Narzissmus, Gewissenhaftigkeit oder Aggression im Namen der Wokeness ein gesundes Maß überschreiten? Und wie entsteht eine gesunde Balance zwischen entgegengesetzten Kräften?

Anni Lemberger

Rezension von Anni Lemberger

Eine großartige und für Laien verständliche, wissenschaftliche Abhandlung eines neuen Zeitgeistes, die es in sich hat: Wokes Denken oder die Wokeness.

Die Autorin untersucht eine neuartige, gesellschaftliche Sichtweise, die die hellhäutige, europäische Bevölkerung als „privilegiert und durch die Erbsünde des Rassismus bereits bei der Geburt belastet“ betrachtet.

Eine Minderheitenbewegung, ausgehend von den amerikanischen Universitäten hat mittlerweile auch die Universitäten von Europa erreicht und breitet sich immer weiter aus. Die Woke-Bewegung hat sich grundsätzlich eigentlich dem wertvollen Schutz von Minderheiten verschrieben, schießt mittlerweile aber völlig übers Ziel hinaus und radikalisiert sich zunehmend.

Ihr Denken wird immer starrer und entfernt sich immer mehr von einer gesunden Denkweise und einem gesunden Minderheitenschutz. Durch ihre zahlreichen Unterstützer im medialen Sektor und der Hilfe von sozialen Netzwerken finden sie mittlerweile auf breiter Ebene Gehör und in neuer Gesetzgebung Bestätigung.

Ausgehend von der Tatsache, dass die Europäer aufgrund ihres weltweiten Kolonialismus massives Unrecht getan haben und dieses Unrecht, ähnlich der Erbsünde generationsübergreifend, weiter vererbt wird, werden weißhäutige Europäer als „privilegiert“ bezeichnet. Und diesem überpriviligierten Volk ist es nicht erlaubt, sich kulturelles Gut von unterdrückten Völkern anzueignen (kulturelle Aneignung). Dazu gehören Rasterlocken, Indianer-Faschingskostüme und vieles andere mehr. Ganz besonders haben sie es aber auf die Sprache abgesehen, denn Sprache schafft, ihrer Meinung nach, Realität.

Wie weit das Woke-Denken bereits in unseren Alltag Einzug gehalten hat, erlebt jeder, der eine Vielzahl von möglichen Geschlechtszuordnungen auf einem Antragsformular findet oder wenn er die Straße auf einem Regenbogen-Fußgängerübergang quert.

Im Woke-Denken spielt die Anlage der äußeren Geschlechtsmerkmale keine Rolle, sondern nur das Denken und Fühlen einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit, die sich auch wieder ändern kann. So gibt es keine Männer und Frauen mehr, sondern, es gibt in diesem Denkmuster nur mehr Personen mit Uterus, Personen mit Penis, gebärende Personen, Samenspender*innen und vieles mehr. Außerdem geht die Bewegung davon aus, dass es keinen Unterschied zwischen den biologischen Geschlechtern gibt. So gibt es eben empfundene Frauen mit Penis und empfundene Männer mit Vagina.

Es sollte niemanden verwundern, wenn er in einer Damensauna auf eine Penis tragende Frau trifft oder auf einer Frauenstation im Krankenhaus eine Patientin mit Penis neben sich liegt. Und das neu beschlossene Gesetz der „Selbstbestimmung“ in Deutschland, öffnet diesem Denken per Gesetz Tür und Tor.

Pornografie und Sexarbeit der Frauen dienen im Sinne des woken Feminismus weiblicher Selbstbestimmung. Ausgeblendet wird dabei, dass viele Frauen Opfer von Menschenhandel sind und/oder in Abhängigkeit von ihrem Zuhälter stehen.

Noch fataler finde ich die Abrede von psychischen Krankheiten, sie werden als besondere Lebensform bezeichnet – dazu gehört auch bereits vereinzelt die Forderung Woke-Denkender für Straffreiheit bei Pädophilie oder Zoophilie, weil sie (nur) als besondere sexuelle Vorliebe gesehen werden – ohne Krankheitswert. Auch soll in die kindliche Frühsexualerziehung die Vorliebe für besondere Fetische und andere sexuelle „Spielarten“ einfließen.

Das Buch orientiert sich auf einer Vielzahl psychologischer Konzepte und sozialpsychologischer  Untersuchungen und führt die Quellen dazu an.

Mir hat das Buch zu Klarheit verholfen, wo die Grenze des Nützlichen und Sinnvollen im Alltag überschritten wird und ein mir rigides, starres und unklares Schubladendenken das Verständnis entzogen hat, zum Beispiel wieso wurden Winnetou Bücher vom Verlag zurückzogen oder warum durfte eine Seniorentanzgruppe keinen Sombrero, wie 40 Jahre zuvor, tragen? 

Es ist natürlich gut, dass Rassismus bekämpft wird, dass Transsexualität und Homosexualität stressfrei gelebt werden können. Aber es darf NICHT sein, dass eine Biologieprofessorin, die am Standpunkt steht, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt und das wissenschaftlich chromosomal begründet, solange von den in Woke – Richtung denkenden Studierenden gemobbt wird, dass sie ihren Arbeitsplatz kündigt.

Die Rigidität, Zwanghaftigkeit und Intoleranz dieser Bewegung ergibt sich aus der völligen Ablehnung und offensichtlichen Aggression gegenüber Andersdenkenden.

Was mir aber unter anderem klar wurde, ist, warum die ultralink angesiedelte Woke-Bewegung für die Palästinenser auf die Straße geht und in Europa wieder einen neuartigen Antisemitismus belebt: Sie gehen davon aus, dass die Israelis das palästinensische Volk kolonialisiert haben und somit zum privilegierten Täterkreis zählen, was in dieser Einfachheit schlichtweg falsch ist.

Die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Buches ist hervorragend, erfordert aber eine hohe Konzentration beim Lesen. Am Ende des Buches ist der umfangreiche Quellennachweis aufgeführt.

Mir hat das Buch einen guten Weg aufgezeigt, wie ich mit überzeichneten Woke-Forderungen in Zukunft umgehen kann, ohne mich als Rechte, islamophob, oder homophob schuldig fühlen zu müssen.

Ich kann das Buch allen Lesern empfehlen, die Interesse an der Psychologie hinter bestimmten gesellschaftlichen Phänomenen haben und einen Ausweg daraus suchen möchten.

Ich bin auf dieses Buch aufmerksam geworden, da ich nach einem Buch gesucht habe, das mir erklärt, warum ich von einem bestimmten Personenkreis in den sozialen Medien immer häufiger in “das rechte Eck” gerückt werde, obwohl ich mich selbst tolerant gegenüber Minderheiten erlebe. Ich habe eine Erklärung dafür gefunden.


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