„Else (ohne Fräulein) – dafür mit Handy!

Else

Der österreichische Autor Thomas Arzt hat Arthur Schnitzlers berühmten inneren Monolog eines jungen Mädchens aus dem Jahre 1925 entstaubt und in die Gegenwart transportiert. Das theater.direkt schickt zwei Schauspielerinnen, Johanna Klaushofer und Sophia Fischbacher, auf die Bühne und so gelingt ein intensives Kammerspiel um Manipulation und Machtmissbrauch. Viel Applaus bei der Premiere am 13. September 2023 im Studio der ARGEkultur für eine mitreißende Interpretation eines psychologischen Meisterwerks.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Die fünfzehnjährige Else genießt ihre Ferien im Luxushotel ihrer Tante und ist natürlich ständig übers Handy in Kontakt mit ihrer Freundin, die derzeit in Cornwall unterwegs ist. Sommer, Sonne, See, ein knackiger Surfer und ein freundlicher Barkeeper, da kann ein junges Mädchen schon auf dumme Gedanken kommen. Mit ihrem Alter Ego lästert sie gerne über einen komischen alten Glatzkopf in einer viel zu knappen Badehose.

Das unbeschwerte Leben könnte aber bald vorbei sein, denn ihrem Vater droht ein Prozess. Sollte er den verlieren, ist es Schluss mit dem Luxus, dann winken Kleider von der Caritas und billiges Obst und Gemüse vom Discounter. Als sie von ihrer Mutter erfährt, dass dieser ältere Herr der Richter ihres Vater sein könnte, beginnt sie zu grübeln. Sollte sie sich wirklich auf einen Deal einlassen? Sie unternimmt mit ihm eine Bootsfahrt, ist sich aber sicher: „Keiner fasst mich an!“ Ein paar Selfies, mal als Lolita, dann als Diva und Bitch sollten eigentlich reichen. Als ihr aber der Verdacht kommt, dass sie von ihren Eltern und der Tante manipuliert und bewusst auf den Richter angesetzt wurde, ist der Spaß vorbei.

Johanna Klaushofer und Sophia Fischbacher verdeutlichen perfekt die Zerrissenheit des jungen Mädchens. Sie wechseln ihre Rollen ständig und so wirken die Telefonate mit der nervigen Mutter und der Freundin in Cornwall sehr realistisch. Auch der perverse, schleimige Richter („Ich bin der Erwin!“) und der fesche Surfer sind stets präsent. Die unterschiedlichen Kräfte, die im Innern der jungen Else miteinander ringen, werden in dieser modernen Bearbeitung durch die flapsige, sehr direkte Jugendsprache besonders deutlich. So ticken lebenslustige, temperamentvolle junge Leute eben heute. Obwohl sie über #MeToo und Machtmissbrauch bestens Bescheid wissen, sind sie nicht völlig immun dagegen.

Arthur Zgubic hat einen Einwegspiegel auf die Bühne gestellt, der auch als durchsichtige Wand, hinter der sich Elses Prinzessinnen-Zimmer befindet, bestens funktioniert. Hier wird ordentlich gefeiert und wild getanzt oder beim Zimmerservice Pizza bestellt.

Michael Kolnberger, Regisseur und Leiter des theater.direkt, hat diese spritzige, moderne Version von Arthur Schnitzerls Monolog-Novelle mit viel Tempo in Szene gesetzt. Zum 100-jährigen Jubiläum des Klassikers wird er das Original mit Anna Knott in der Titelrolle in der Panoramabar der Stadtbibliothek am 9. Jänner 2024 zur Aufführung bringen.

„Else (ohne Fräulein)“ – von Thomas Arzt nach Arthur Schnitzlers Monolog-Novelle. Inszenierung: Michael Kolnberger und Helene May Heber. Produktionsleitung & Dramaturgie: Michael Kolnberger. Bühne & Kostüme: Arthur Zgubic. Schauspiel: Johanna Klaushofer, Sophia Fischbacher. Fotos: ARGEkultur ©Piet Six

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