Latife Arab: Ein Leben zählt nichts – als Frau im arabischen Clan

Muslima

Autorin: Latife Arab
Titel: Ein Leben zählt nichts – als Frau im arabischen Clan – eine Insiderin erzählt
ISBN-10: 3453218744
ISBN-13: 978-3453218741
Verlag: Heyne Verlag
Erschienen: 13.03.2024

Klappentext:

Sie stehen für Raub, Schutzgelderpressung, Drogengeschäfte und Menschenhandel, betrachten den deutschen Staat als Selbstbedienungsladen, vor Polizei und Justiz haben sie keinen Respekt. Vor Frauen erst recht nicht. Latife Arab wurde in einen der größten Clans Deutschlands hineingeboren. Bereits als Kind war sie in die kriminellen Machenschaften involviert, musste als Kurierin herhalten oder Falschaussagen machen.

Es folgten knapp dreißig Jahre, in denen sie ihrer Familie und ihrem Mann wie eine Sklavin zu dienen hatte, missbraucht und gedemütigt wurde. Nach sechs gescheiterten Versuchen schaffte sie es, sich und ihre Kinder zu retten. Latife Arab ist die erste weibliche Stimme, die aus dem inneren Kreis eines Clans berichtet und Einblicke in ein skrupelloses Familien- und Wertesystem gewährt. Es ist die Geschichte eines steinigen Neuanfangs und die einer Emanzipation, die noch immer andauert – denn die Großfamilie lauert überall.

Anni Lemberger

Rezension von Anni Lemberger

Die wahre, berührende Geschichte einer Parallelgesellschaft inmitten von Deutschland und der Umgang mit den Frauen in dieser Gemeinschaft.

Latife, die unter einem Pseudonym schreibt, ist 1980 in Anatolien geboren und kam mit 5 Jahren nach Deutschland. Von Anfang musste sie erleben, wie sie hinter ihren Brüdern zurückstehen musste und wie die Clanbildung in ihrer Familie seinen Anfang nahm.

Sie schreibt von Zwangsehen, von Importbräuten aus der Türkei, von Familiennachzug, alle diese Maßnahmen dienten der Vergrößerung der Großfamilie, denn geheiratet wurde innerhalb der Familie. Die meisten ausgewählten Ehemänner waren Cousins ersten Grades. Waren erst einmal die Söhne in Deutschland, holten sie die restliche Familie nach.

Die Aufgabe der Frauen im Clan bestand darin, als (oft noch minderjährige) Ehefrauen den sexuellen und leiblichen Wünschen ihrer Ehemänner zu dienen, Kinder zu gebären, diese zu erziehen und die Hausarbeit zu verrichten. Nach ihrer Verheiratung gingen die jungen Frauen in das Eigentum der Familie ihres Ehemannes über und wurden dort als Arbeitssklavinnen eingesetzt. Gab es seitens der Schwiegermutter (die zumeist die Tante war) eine Beschwerde, wurde sie vom Ehemann mittels massiver Gewaltanwendung bestraft.

Die Flucht ins Frauenhaus währte bei Latife immer nur kurz, weil sie mehrmals von ihrer Familie zurückgeholt wurde. Der endgültige Ausstieg gelang ihr erst beim 6. Fluchtversuch und Ruhe vor ihrer Familie hat sie bis heute nicht.

Die kriminellen Machenschaften ihrer Familie begannen relativ bald nach der Einwanderung in Deutschland, als Clangründer sind ihre Eltern, besonders der Vater der Autorin, anzusehen.

Viel zu lange ließ der deutsche Staat sie gewähren und die liberale Gesetzgebung des demokratischen Deutschland öffnete ihrer kriminellen Energie Tür und Tor. Die Kinder wurden vom Kleinkindalter an, in diese Machenschaften hineingezogen. Die Vielzahl der kriminellen Delikte, von Sozialbetrug, Einbruch, Raub, Körperverletzung und Ehrenmorde war deshalb für die Söhne normaler als ehrliche Arbeit und setzte sich im Erwachsenenalter fort. Mädchen hingegen wurden an Familienmitglieder in der Türkei verheiratet, was weiteren Familienmitgliedern wiederum einen Weg ins gelobte Deutschland eröffnete.

Das Geld der Deutschen war willkommen, die Deutschen selbst waren in ihren Augen aber Schweine und Nazis, die deutsche Sprache wurde verweigert, genauso wie ihre Kultur.

Die Erzählung dieser starken und mittlerweile selbstbewussten Frau ist erschütternd und gibt Einblicke in streng patriarchale Systeme. Latife, die heute ihre Haare offen trägt, von ihrem deutschen Freund ein Kind hat und westliche Kleidung trägt, bezeichnet das Tragen der verhüllenden Kleidung als äußeres Symbol weiblicher Unterdrückung. Sie hat sich mittlerweile vom Islam losgesagt, weil diese Religion viel zu oft missbraucht wird, um Frauen zu unterdrücken und auch zu misshandeln oder sogar zu töten.

Die Autorin beschreibt in ihrer Geschichte aber auch, dass ihr viel zu oft von den deutschen Behörden die Hilfe verweigert wurde, weil die Unterdrückung und Misshandlung von Frauen in patriarchalen Familiensystemen einfach als gegeben hingenommen wurde.

Trotzdem ist es wichtig beim Wiedergeben und Reflektieren dieser erschütternden Erlebnisse, festzuhalten, dass es sich um einen, den deutschen Behörden bekannten, arabischen Clan handelt, dessen Verhalten nicht auf alle Moslem pauschaliert werden darf.

Aber eines macht dieser Tatsachenroman trotzdem bewusst: Gelebte Toleranz gegenüber Asylsuchenden und zugewanderten Menschen ist das eine. Ein Wegsehen bei der absoluten Weigerung, sich der Gastgesellschaft, besonders in Bezug auf weibliche Autonomie, anzupassen und das Bilden einer Parallelgesellschaft, das andere, das wir mit allen Mitteln verhindern müssen.

Vor allem aber müssen wir gemeinsam hinsehen und gemeinsam dagegen auftreten, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht, und zwar unabhängig vom kulturellen Kreis.

Das Buch ist sehr interessant geschrieben, nachvollziehbar, aber auch erschütternd in seinen Schilderungen der Gewaltanwendungen gegenüber Frauen.

Möge deshalb das Buch aufrütteln und ein Bewusstsein in manchem patriarchalen Denken dafür schaffen, dass es das absolute Ziel unserer Gesellschaft im 21. Jahrhundert sein muss, eine Frau auf Augenhöhe zu sehen.


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