„Antigone“ von Sophokles im Schauspielhaus Salzburg

Die 442 v. Chr. geschriebene griechische Tragödie ist Teil der „Thebanischen Trilogie“, zu der außerdem „König Ödipus“ und „Ödipus auf Kolonos“ gehören. In „Antigone“ stellt Sophokles zwei Prinzipien gegenüber, das Recht des Staates und das Recht der Familie bzw. des Göttlichen.

Von Elisabeth Pichler

Der Bruderkrieg in Theben ist blutig zu Ende gegangen. Eteokles und Polyneikes, die Söhne des Ödipus, sind im Kampf gefallen. Während König Kreon, der Onkel der beiden Brüder, Eteokles würdig bestatten lässt, verweigert er Polyneikes ein Begräbnis. Dessen Schwester Antigone missachtet das erlassene Gesetz und wird von Kreon zum Tode verurteilt. Ihr Verlobter, Kreons Sohn Haimon, versucht vergeblich, den Vater umzustimmen. Dieser bleibt hart, stellt Staatsräson über Familie und Tradition und nimmt den Urteilsspruch nicht zurück. Auf die Warnungen und düsteren Prophezeiungen des blinden Sehers Teresias hört er zu spät.

Regisseur Thomas Oliver Niehaus gilt als Antike-Spezialist. Er hat die Chortexte selbst bearbeitet, sie sind voll Ironie und Witz und erinnern an die Texte Elfriede Jelineks. Seine flotte Inszenierung basiert auf der Bearbeitung von Simon Werle, die sehr nahe am Originaltext bleibt und dem Stück doch etwas sehr Heutiges verleiht. Im Zentrum steht der Chor, der sich aus den handelnden Personen und einem Chorführer zusammensetzt.

Die karge, fast leere Bühne ist mit dunklem Kies bedeckt, der knirscht, wenn sich die Schauspieler fortbewegen, und es wird viel gelaufen und marschiert in dieser Inszenierung. Das Gerüst eines weißen Hauses bietet keinen Schutz, Türen und Fenster gibt es nicht. Das Publikum wird ständig durch fragende Blicke in den Konflikt hineingezogen. Weiß geschminkte Gesichter ersetzen die in der Antike üblichen Masken des Chores, schwarze, raschelnde lange Röcke und weiße Unterhemden bilden die Einheitskleidung der Männer. Die Titelheldin sorgt mit ihrem lila Top für einen Farbtupfer. Harald Fröhlich gibt den unbeugsamen Herrscher, der nicht davor zurückschreckt, seine eigene Nichte lebendig begraben zu lassen. Sophie Hichert (Antigone) und Isabel Berghout (Ismene) sind ein sehr junges, unbekümmertes Geschwisterpaar. Im Duett erzählen sie die komplexe Vorgeschichte des Labdakiden-Geschlechts, ansonsten sind sie nie einer Meinung, denn Ismene versteht ihre starrsinnige Schwester nicht. Beeindruckend Marcus Marotte als blinder Seher Teresias. Er ähnelt in seinem langen schwarzen Kleid mit Kopf-Federschmuck einem indianischen Medizinmann. Kein Wunder, dass seinen schrecklichen Prophezeiungen Glauben geschenkt wird.

Der renommierte Schriftsteller und Philosoph George Steiner hat die unlösbaren Konflikte, die den griechischen Tragödien zu Grunde liegen, in fünf Kreise eingeteilt: Konflikte zwischen Mann und Frau, Alt und Jung, Gesellschaft und Individuum, Lebenden und Toten und zwischen Göttern und Sterblichen. Es hat sich seit der Antike wenig geändert und so ist es nicht verwunderlich, dass uns diese Tragödien auch heute noch berühren. Diese auf 1 Stunde 40 Minuten gekürzte Fassung der „Antigone“ hat mit ihren geistreichen Chortexten und der Einspielung moderner Sirtaki-Rhythmen das Publikum bei der Premiere am 21.September 2011 begeistert.

„Antigone“ von Sophokles, Uraufführung der deutschsprachigen Bearbeitung von Simon Werle, Chortexte bearbeitet von Thomas Oliver Niehaus. Regie: Thomas Oliver Niehaus. Ausstattung: Geelke Gaycken. Dramaturgie: Birgit Lindermayr. Mit: Sophie Hichert, Isabel Berghout, Harald Fröhlich, Volker Wahl, Thomas Enzi, Marcus Marotte, Oliver Hildebrandt. Fotos: Eva-Maria Griese

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