Biedermann und die Brandstifter – zum Löschen zu spät

Mit einer spritzigen, auf 90 Minuten eingedampften Inszenierung von Max Frischs politischer Parabel über die Fähigkeit des Menschen, voraussehbare Katastrophen auszublenden, begeisterte Regisseur Peter Raffalt das Premierenpublikum am 22. Februar 2017 im Schauspielhaus Salzburg. Viel Applaus für ein groß aufspielendes Ensemble und einen überragenden Marcus Marotte.

Elisabeth PichlerVon Elisabeth Pichler

Als sich der wohlhabende Fabrikant Gottlieb Biedermann eine Zigarre anzünden möchte, muss er unwillkürlich daran denken, dass die Brandstifter in der Stadt sind. „Aufhängen sollte man sie!“ Wann und wo werden sie wohl das nächste Mal zuschlagen? Ihm könnte das nicht passieren, denn einen Hausierer würde er niemals ins Haus lassen. Als der ehemalige Ringer Schmitz bei ihm auftaucht, begehrt dieser jedoch keine Unterkunft, er sucht nur nach Menschlichkeit. Biedermann fühlt sich geschmeichelt und lässt den etwas rüpelhaften Kerl aus purer Gutmütigkeit auf seinem Dachboden übernachten. Ein ungutes Gefühl beschleicht ihn, als ein gewisser Herr Eisenring auftaucht. Der ehemalige Kellner ist zwar eloquent und hat beste Manieren, doch die Fässer, die unter lautem Gepolter auf dem Dachboden verstaut werden, sind mehr als verdächtig. Sie riechen eindeutig nach Benzin. Die beiden unliebsamen Gäste machen keinen Hehl aus ihrem Vorhaben, denn „die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Die glaubt niemand.“ Biedermann beschließt, sich die beiden Brandstifter zu Freunden zu machen. Vielleicht gelingt es ihm so, die drohende Katastrophe abzuwenden.

Marcus Marotte gerät als Gottlieb Biedermann gehörig ins Schwitzen, denn ihm fehlt der Mut, hart durchzugreifen und die zwei dubiosen Gäste auf die Straße zu setzen. Seine Frau Babette (Susanne Wende) zeigt Verständnis für die Schwächen ihres Mannes. Sie ist unendlich dankbar und erleichtert, dass er jeden Abend auf dem Dachboden nachsieht, ob auch ja keine Brandstifter da sind. Sonst könnte sie nämlich die halbe Nacht nicht schlafen. Nur das Dienstmädchen Anna (Magdalena Oettl) zeigt seine Abneigung gegen die ungebetenen Gäste ganz offen und das hat in dieser Inszenierung schlimme Folgen.

Der großgewachsene Frederic Soltow besticht als Ringer Schmitz durch fast unerträglich schlechte Manieren und präpotentes Benehmen. Magnus Pflüger wartet als Eisenring zwar mit besten Manieren auf, doch wirkt seine vornehme, ruhige Art umso gefährlicher. Der warnende Chor erinnert an altgriechische Tragödien und tritt hier in wechselnder Besetzung als eine Gruppe von Feuerwehrleuten im Arbeitseinsatz auf. Bühnenbildner Vincent Mesnaritsch hat das Wohnzimmer und den Dachboden der Familie Biedermann auf eine Ebene gestellt. Mit Hilfe der Lichtregie wird ein rascher Wechsel von oben nach unten und umgekehrt ermöglicht, wobei scherenschnittartige Übergänge für reizvolle Bilder sorgen.

Mit witzigen, absurden Regieeinfällen sorgt Peter Raffalt dafür, dass Max Frischs vielgespielter Klassiker im Schauspielhaus Salzburg zu einem Theaterabend von großem Unterhaltungswert wird. „Einfach perfekt. Besser geht es nicht.“ Dieser Meinung eines Premierengastes kann ich mich nur anschließen.

„Biedermann und die Brandstifter“ – Lehrstück ohne Lehre von Max Frisch. Regie: Peter Raffalt. Bühne: Vincent Mesnaritsch. Kostüme: Elke Gattinger. Musik: Matthias Jakisic. Mit: Marcus Marotte, Susanne Wende, Magdalena Oettl, Frederic Soltow, Magnus Pflüger, Antony Connor, Ute Hamm, Moritz Grabbe. Fotos: Jan Friese/ Schauspielhaus

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