Von 10. bis 20. November 2016 findet in der ARGEkultur das Open Mind Festival unter dem Motto „AUSweg. Das wesentliche NEIN“ statt. Eröffnet wurde das Festival mit der Uraufführung der neuesten Produktion des vor kurzem mit dem NESTROY-Theaterpreis für die beste Off-Produktion ausgezeichneten aktionstheater ensembles. Regisseur Martin Gruber und seine Truppe servieren tragische Geschichten von „ExpertInnen des Alltags“ in humorvoller theatralischer Verdichtung.
Von Elisabeth Pichler
Völlig emotionslos und mit starrer Miene nimmt Kristian Musser hinter seinem Keyboard Aufstellung. Die drei Schauspieler hingegen sind umso mitteilsamer, wobei der Grad ihrer Wut, Enttäuschung und der daraus resultierenden Erregung höchst unterschiedlich ist. Michaela (Bilgeri) kann es einfach nicht fassen, dass eine völlig untalentierte, grottenschlechte Schauspielerin mit unnatürlich affektiertem Gehabe für einen Werbefilm engagiert worden ist. Sie hätte das alles wesentlich besser gekonnt, sei ja auch besser qualifiziert als professionelle Schauspielerin mit jahrelangem Germanistikstudium. Während sie ihre Wut laut hinausschreit, leiden die beiden Herren etwas stiller.
Martin (Hemmer), der große Hoffnungen in seine Rolle bei einem Himalaya-Filmprojekt der Icefall Production gesetzt hat, ist nach dem Dreh so traumatisiert, dass er zum „Bühnennässer“ wird. Für den Poeten Andreas (Jähnert) wird eine Promihochzeit in Tirol, auf der er seine Gedichte zum Besten geben durfte, zum persönlichen Waterloo. Zwar hat die Presse ausführlich über dieses Event berichtet, sein Name blieb dabei aber unerwähnt. Gemeinsam mit der Musikerin Sonja Romei beklagen die drei ihre triste Situation mit dem Song „every time the sun comes up, I’m in trouble“.
„Wir verarschen uns gerne selbst“, bekennt Martin Gruber und so werden in diese „chronische Tragödie“, die aber keine Dokumentation sein soll, wahre Erlebnisse der Schauspieler eingearbeitet. Die Gesellschaft müsse sich mit dem „Jetzt“ auseinandersetzen. Die Entscheidung „Wo mache ich mit?“ werde dem Publikum überlassen. Dem Regisseur geht es stets um Ambivalenz. Da sich die Widrigkeiten unserer gespaltenen Gesellschaft mit Humor besser ertragen lassen, gibt es bei dieser hochpolitischen, rasanten und provokanten 70-minütigen Performance dreier Zukurzgekommener, die einen Weg aus der deprimierenden Realität suchen, um der eigenen Bedeutungslosigkeit zu entkommen, auch viel zu Lachen. Nicht nur Mitlachen auch Mitdenken ist ausdrücklich erwünscht.
„Immersion. Wir verschwinden.“ – Uraufführung. Eine Produktion des aktionstheater ensembles in Koproduktion mit der ARGEkultur im Rahmen des Open Mind Festivals 2016. „AUSweg. Das wesentliche NEIN“. Buch und Regie: Martin Gruber. Text: aktionstheater ensemble, Martin Gruber, Claudia Tondl. Musik: Sonja Romei, Kristian Musser. Dramaturgie: Martin Ojster. Bühne: Sebastian Spielvogel. Mit: Michaela Bilgeri, Martin Hemmer, Andreas Jähnert, Sonja Romei, Kristian Musser, (Susanne Brandt). Fotos: ARGEkultur | Michael Groessinger
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