„Jägerstätter“ – lebendiges, kritisches Volkstheater

v.l.n.r.: Daniela Enzi (Rosalia), Simon Jaritz (Bürgermeister), Kristina Kahlert, Lukas Bischof, Harald Fröhlich (Chor), Antony Connor (Oberlehrer), Theo Helm (Franz Jägerstätter),Magdalena Oettl (Franziska). Foto: Jan Friese

Felix Mitterers Auftragsarbeit zum 70. Todestag des wegen Kriegsdienstverweigerung 1943 in Brandenburg hingerichteten Innviertler Bauern wurde schon 2013 bei der Uraufführung im Theater in der Josefstadt und anschließend beim Theatersommer in Haag umjubelt. Bei der Premiere im Schauspielhaus Salzburg am 4. November 2017 gab es Standing Ovations für eine denkwürdige Aufführung.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Franziska Jägerstätter liest einen Brief vor, in dem ihr mitgeteilt wird, dass das vom Dritten Reich verhängte Todesurteil gegen ihren Mann vollstreckt wurde. Die Bewohner von St. Radegund sind sich einig: „Er hat Schmach und Schande über unser Dorf gebracht.“ In einer Montage aus Originalzitaten und eigenem Text erzählt der Tiroler Dramatiker vom Schicksal des Franz Jägerstätters, der im Jahr 2007 selig gesprochen wurde. So deklamiert derselbe Chor, der ihn anfangs verdammt, am Ende des Stückes: „Seliger Franz Jägerstätter, bitt für uns!“

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Theo Helm (Franz Jägerstätter)

Franz Jägerstätter hat eine Stalldirn geschwängert und ist auch bereit sie zu heiraten. Seine Mutter ist jedoch strikt dagegen. Sie will sogar die Alimente übernehmen, denn für ihren Sohn wünscht sie sich eine reiche Bauerstochter, schließlich soll er nach dem Tod seines Adoptivvaters einmal den Hof übernehmen. Franz ist zwar ein Einzelgänger, doch auch ein echter Hallodri, der gerne Motorrad fährt und einer Wirtshausrauferei nicht aus dem Wege geht. Er wagt es als einziger in St. Radegund gegen den Anschluss an Hitler-Deutschland zu stimmen. Als er öffentlich erklärt, dass es für ihn als Christ moralisch unmöglich sei, an einem verbrecherischen Krieg teilzunehmen, stellt sich das ganze Dorf gegen ihn, nur seine Gattin Franziska hält zu ihm. Er absolviert drei Monate Ausbildung, wird dann unabkömmlich gestellt, bis er schließlich im Februar 1943 doch einberufen wird. Nach seiner Inhaftierung wird ihm noch die Möglichkeit gegeben zu widerrufen, doch Franz Jägerstätter ist davon überzeugt: „Ich muss Gott mehr gehorchen als den Menschen…“

Theo Helm überzeugt als charismatischer, belesener, doch auch störrischer junger Bauer, der nichts auf die Meinung anderer gibt und seelenruhig, von allen belächelt, den Kinderwagen mit seinem geliebten Töchterlein durchs Dorf schiebt. Seiner Isoliertheit steht der Chor der Dorfgemeinschaft gegenüber, der nach antikem Vorbild die öffentliche Meinung kundtut. Aus diesem Chor treten immer wieder einzelne hervor und markieren prägende Stationen im Leben des Wehrdienstverweigerers. Eigentlich wollen sie ihm alle nur helfen und umstimmen, der abgehobene Bischof von Linz (Marcus Marotte), der knallharte Pflichtverteidiger (Matthias Hinz) sowie der gutmütige Oberst in Enns (Harald Fröhlich). Magdalena Oettl verströmt als „herzallerliebste“ Gattin Herzenswärme, während sich Kristina Kahlert als sitzengelassene Mutter unversöhnlich zeigt.

Das Drama um Franz Jägerstätter spielt sich in einem kalten, grauen Raum mit leichten Rostflecken ab. (Bühne: Vincent Mesnaritsch). Regisseur Peter Raffalt gelingen anrührende und bewegende Bilder, die den inneren Kampf des dreifachen Familienvaters spürbar machen. Ein groß aufspielendes Ensemble macht das von Felix Mitterer spannend durchkomponierte Stück zu einem ganz besonderen Theatererlebnis.

„Jägerstätter“ – von Felix Mitterer. Regie: Peter Raffalt. Bühne: Vincent Mesnaritsch. Kostüme: Elke Gattinger. Musik: Georg Brenner. Mit: Theo Helm, Magdalena Oettl, Daniela Enzi, Kristina Kahlert, Antony Connor, Magnus Pflüger, Simon Jaritz, Lukas Bischof, Marcus Marotte, Harald Fröhlich, Matthias Hinz. Fotos: Jan Friese 

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