„Die Niere“ – eine Komödie mit Tiefgang

Niere

v.l.n.r.: Ulrike Arp (Diana), Antony Connor (Arnold), Susanne Wende (Kathrin) | Foto: Jan Friese/ Schauspielhaus

Mit einer turbulenten Beziehungskomödie des österreichischen Autors Stefan Vögel eröffnete das Schauspielhaus Salzburg im ausverkauften Studio die neue Theatersaison. Nach der Premiere am 9. September 2020 stellte sich wohl so mancher Besucher die Frage: „Wem würde ich eigentlich eine Niere spenden?“

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Der erfolgreiche, doch stets gestresste Architekt Arnold tanzt euphorisch durch seine Wohnung, in der ein Modell seines neuen Prestigeobjekts, eines Hochhauses mit 26 Stockwerken, das mitten in Paris errichtet werden soll, prangt. Als ihm seine Gattin Kathrin das niederschmetternde Ergebnis ihrer letzten Vorsorgeuntersuchung mitteilt, ist es mit dem Jubel allerdings vorbei: Niereninsuffizienz im dritten Stadium. Da kann nur noch eine Spenderniere helfen. Die Wartezeiten betragen sechs Jahre, da bleibt nur noch eine Lebendspende. Mutter und Schwester kommen aus privaten Gründen nicht in Frage und so denkt Kathrin natürlich sofort an ihren Gatten. Sie versichert ihm, dass das Risiko absolut überschaubar wäre.

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Arnold sieht das völlig anders, muss sich das noch gründlich überlegen und versteht gar nicht, warum seine Frau so sauer reagiert. „Ich hab doch gar nicht NEIN gesagt!“ Die Stimmung ist also nicht die beste, als die Apothekerin Diana mit ihrem Gatten Götz auftaucht. Eigentlich wollte man ja heute ordentlich feiern, doch plötzlich dreht sich alles nur noch um eine Niere. In Diana findet Arthur eine Verbündete, denn sie klärt ihn über alle möglichen Komplikationen bei einer Nierentransplantation auf und ist gar nicht begeistert, als sich ihr gutmütiger Gatte Götz sofort bereit erklärt, Kathrin eine Niere zu spenden. Da hat sie wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden. Doch nicht nur die kaputte Niere sorgt für heiße Diskussionen und Wortgefechte, auch die Abwesenheit von Arthurs Partner Tim und die Vernissage einer ukrainischen Malerin sorgen für schlechte Schwingungen.

Antony Connor überzeugt als unsensibler Egoist, der seine Frau lieber jahrelang zur Dialyse schicken würde, als ihr eine Niere zu opfern. Wenn es schon sein müsste, könnte man doch auch im Darknet fündig werden. Kein Wunder, dass seine Gattin (Susanne Wende) schon bald wütend feststellt: „Ich will deine Niere nicht mehr!“ Auch dass Götz (Olaf Salzer) ihr spontan seine Niere anbietet, gefällt Arnold gar nicht. Ulrike Arp gibt die taffe, umtriebige Apothekerin, die Kathrins Migräne-Tabletten die Schuld an der Misere gibt. Man sollte den Hinweis „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ doch wirklich ernster nehmen.

Jérôme Junods flotte Inszenierung findet in einer stylischen Designer-Wohnung statt, die ein riesiges 3D-Modell einer Niere darstellt. Fabio Buccafusco untermalt die wortgewaltigen Auseinandersetzungen mit all ihren Ausreden und Widersprüchen mit den passenden, blubbernden Verdauungsgeräusche. Stefan Vögel gelingt es, die emotionale und rationale Seite einer Organspende zu beleuchten und als leichtfüßige Komödie zu servieren. Trotz aller Corona-bedingten Einschränkungen ein absolut gelungener Auftakt der neuen Theatersaison im Schauspielhaus Salzburg. Mein Tipp: Stürmen Sie die Theater, denn sie sind laut Charité Berlin zu Corona-Zeiten einer der sichersten Orte.

„Die Niere“ von Stefan Vögel. Regie: Jérôme Junod. Ausstattung: Nora Pierer. Musik: Fabio Buccafusco. Mit: Susanne Wende, Antony Connor, Ulrike Arp, Olaf Salzer. Fotos: Schauspielhaus/ Jan Friese

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