Mein Besuch bei alten Bäumen (3)
Von der Eichenallee in Weitwörth (siehe 2. Station) ist es mit dem Auto nur eine Minute bis nach Oberndorf, über die Länderbrücke rechts hinunter zum unteren Stadttor kommt man zur Salzach.

Von Wolfgang Bauer
Rund einhundert Meter flussabwärts auf halber Hanghöhe steht eine der immer seltener werdenden mächtigen Platanen. Sie ist bestimmt weit über 200 Jahre alt und hat einen Stammumfang von 6,05 Meter in ein Meter Höhe (1990). In ihrem langen Leben konnte sie dort schon viel sehen.
Ganz in der Nähe hatte man eine Holzbrücke errichtet, welche die zu Salzburg gehörende Stadt Laufen mit den Vororten (Alt)Oberndorf und Altach am anderen Salzachufer verband. In den Franzosenkriegen hatte im Dezember 1800 hier, trotz Zerstörung der Brücke, das französische Heer übergesetzt und die österreichische Armee zum Rückzug gezwungen. Niedrigwasser hatte sogar das Überqueren der Salzach durch Reiter ermöglicht.
Platane mit meiner Tochter 1990 | Platane Stamm mit Efeu
Das früher zum selbständigen Erzbistum Salzburg gehörige Laufen war zwischendurch zu Österreich gekommen und kam 1816 endgültig zu Bayern, ebenso wie der gesamte Rupertigau, während das übrige Salzburg Österreich zugeschlagen wurde. Damit hatte die Platane schon in drei Ländern gelebt, ohne sich zu bewegen.
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Zwei Jahre später, im Jahr 1818, wurde in der in Sichtweite der Platane erbauten Kirche St. Nicola in Oberndorf das heute weltweit bekannte Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ zum ersten Mal öffentlich gesungen.
Viele Wallfahrten waren an dem Baum vorbeigezogen um über die am anderen Ufer steil nach oben führende Kalvarienberg-Stiege zur Wallfahrtskirche Maria Bühel zu pilgern. Vielleicht hatten einige ja vorher unter dem Baum gerastet vor dem anstrengenden Aufstieg.
Jahrhunderte hatte der Salztransport flußabwärts und der Transport von anderen Waren in der Gegenrichtung auf der Salzach der Stadt Laufen und deren Vororten Wohlstand gebracht. In der Altach – gegenüber unserer Platane – mußten nämlich die leichten Zillen, die von Hallein kamen, umgeladen werden. Nun konnten die größeren Plätten eingesetzt werden, für die ab hier bis zur Donau die Flüsse schiffbar waren. Der Wohlstand der Schifferfamilien war allerdings zu Ende, als in den 1860er Jahren Eisenbahnen gebaut wurden. Die Schöffleute wurden arbeitslos und verarmten.

Aber es gab auch andere schlimme Ereignisse: Im Jahr 1899 suchte ein gewaltiges Hochwasser das Land Salzburg heim. In der Schlinge, die hier die Salzach bildete, stieg das Wasser so hoch, daß wieder einmal viele Häuser von Oberndorf zerstört oder verwüstet wurden und auch die Brücke einstürzte.


Jetzt reichte es den Menschen: Man beschloss, den Ort aufzugeben und an einer höheren Stelle neu aufzubauen. In den Jahren 1902 und 1903 entstand das heutige Oberndorf mit der berühmten Brücke über die Salzach. Das Zentrum bildete die Brückenstraße von der Brücke bis zur neuerbauten Kirche St. Nikolaus. Diese wurde gebaut, weil die alte Kirche, in der das Stille-Nacht-Lied uraufgeführt worden war, auch nicht mehr zu retten war. An ihrer Stelle baute man daneben die heutige Stille Nacht Kapelle.


Die Häuser im neuen Oberndorf wurden an rechteckig angelegten Straßen errichtet. In jedem dieser Straßenblocks befand sich auch ein Wirtshaus. Einige der damaligen Wirte blieben allerdings an den alten Standorten wie der Bauernbräu und der Noppingerbräu. Auch mein Großvater Josef Wochinger, Maurer und Trafikant, verlor sein Haus in Altoberndorf durch das Hochwasser, das er gemeinsam mit seinem Schwager, dem Tischlermeister Franz Girlinger, dort besessen hatte.
Die Häuser des alten Oberndorf wurden demoliert und an ihrer Stelle ein gewaltiger Damm errichtet, der in Zukunft Hochwasser-Katastrophen verhindern sollte. Ganz dicht war allerdings auch er nicht. Trotz der Eintiefung der Salzach durch fehlenden Nachschub an Geröll, welches durch Stauwerke blockiert war, bildete die Salzach immer noch eine Bedrohung für viele Häuser.


Viele weitere Hochwasser, das größte davon im Jahr 1959 bewiesen, dass die Natur nie komplett beherrschbar ist. Unsere alte Platane aber blieb davon unbeeindruckt und konnte erleben, wie die alte Verbindung zwischen dem alten Oberndorf und Laufen durch einen Steg wieder hergestellt wurde – auch wenn diese Verbindung durch ein winziges Virus derzeit manchmal blockiert wird.



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