„Elvedon“ – der unendliche Fluss der Zeit

Sommerszene

Im Rahmen der Sommerszene 2021 gastierte der griechische Choreograph Christos Papadopoulos am 16. Juni 2021 erstmals in Österreich, und zwar in der Szene Salzburg. Vier Tänzerinnen und zwei Tänzer schufen mit subtilen, minimalistischen, ständig wiederkehrenden Bewegungen eine meditative Atmosphäre, der man sich nur schwer entziehen konnte. Großer Jubel für eine faszinierende, intensive Performance.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Papadopoulos ließ sich von Virginia Woolfs 1932 veröffentlichtem, tiefgründigen Roman „The Waves“ inspirieren. Der Roman folgt dem Leben von sechs Freunden von der Kindheit über die Reife bis ins hohe Alter. Sechs verschiedene Persönlichkeiten, ihre sinnlichen und intellektuellen Erfahrungen, ihre Emotionen und Reflexionen kommen und gehen wie die Wellen des Ozeans. Das von den Freunden im Wald entdeckte mystische Königreich „Elvedon“ ist auch Namensgeber für das Stück.

Zu pochenden, präzisen Rhythmen vollführen die Tänzer, anfangs in gebückter Haltung, völlig synchron, minimalistische Bewegungen und Zuckungen. Ganz, ganz langsam richten sie sich auf und drehen sich Richtung Publikum. Die Bewegungen ändern sich kaum, sie passen sich nur fast unmerklich der sich schleichend verändernden Musik an. Erst nach und nach erkennt man, dass doch die Tänzerinnen und Tänzer charakteristische Bewegungsmuster entwickeln, man hat ja genügend Zeit, jede und jeden genau zu beobachten, wenn sie sich fließend durch den Raum bewegen, getrieben bzw. geschoben vom Rausch der Musik. Völlig emotionslos schließen sie sich zu Paaren und Gruppen zusammen oder sondern sich für eine Weile ab, um alleine weiter zu wippen. Erst zum Finale beginnen sie zaghaft zu lächeln und werden dann ganz plötzlich schneller. Wie eine riesige Welle schwingen sie schließlich vor und zurück und machen die gewaltige Kraft des Wassers spürbar. Als sie jedoch die Kräfte verlassen sinken sie zu Boden, wo sie wieder zum kindlichen Wippen zurückkehren. Der Kreislauf des Lebens hat sich geschlossen.

Für Papadopoulos ist das Konzept des ewigen Flusses der Zeit das Herzstück von „Elvedon“, das er mit den Mitteln der Wiederholung, des Springens und der allmählichen Entwicklung der Körperbewegung deutlich macht.

„Mit der Geburt wird das Leben in Gang gesetzt. Wir haben keine Wahl für eine Pause. Die Zeit ist unendlich und unaufhaltsam. Diese unvermeidliche Erkenntnis wird im Laufe der Zeit zu einem integralen Bestandteil des Lebens, und wir müssen nur lernen, damit umzugehen. Das hat mich am meisten fasziniert und motiviert, daraus eine Tanzperformance zu machen. Wellen haben einen intrinsischen Rhythmus, eine sich wiederholende Bewegung.“

„Abstrakte Bewegung, Hüpfen und Musik sind meine Werkzeuge, um eine Umgebung zu schaffen, die dem Publikum die Freiheit lässt, auf ganz persönliche Weise wahrzunehmen, zu entziffern und zu fühlen.“

Intendantin Angela Glechner hat nicht zu viel versprochen, dieser Abend war wirklich eine Sternstunde des modernen Tanzes. Ich bin mir sicher, dass man von Christos Papadopoulos noch viel hören wird.

„Elvedon“ – Konzept & Choreographie: Christos Papadopoulos. Tänzer: Georgios Kotsifakis, Maria Bregianni, Thernis-Ariadne Andreoulaki, Danai Pazirgiannidi, Tasos Nikas, Sotiria Koutsopetrou. Musik: Coti K. Lichtdesign: Miltiades Athanasiou. Fotos: Sommerszene © Bernhard Müller (4) © Laurent Philippe (Titelbild)

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Sommerszene Übersicht

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