“Tischler werden, das ist nicht einfach, wenn´s einer nicht im Blut hat.”

Karl Traintinger. Andorra von Max Frisch wurde am 2. November 1961 im Schauspielhaus Zürich unter der Regie von Kurt Hirschfeld uraufgeführt und hat bis heute nichts an seiner Aktualität verloren.  Das Stück zeigt in 14 Bildern den Umgang einer Gesellschaft mit einem vermeintlichen Außenseiter, der letztendlich auch dazu gemacht wird. Es stellt sich die Frage, was macht den einzelnen Menschen aus und wie wird er von der Allgemeinheit gesehen. Andorra ist ein austauschbarer Name, keine geografische Ortsangabe, ein Modell für die Kaltherzigkeit und Charakterlosigkeit einer fast idyllischen Dorfgemeinschaft, irgendwo.

Die Andorraner haben Angst davor, vom mächtigen Nachbarvolk, den Schwarzen, überfallen zu werden. Geschichtliche Parallelen zur Schweiz und Nazideutschland drängen sich auf. Die “Schwarzen”  verfolgen und ermorden die Juden, deren angeblich schlechte Eigenschaften wie Geldgier, Fremdartigkeit, Feigheit, Intelligenz und Gemütslosigkeit auch die Andorraner nicht mögen. Andri ist der außereheliche Sohn des Dorfschullehrers Can, gespielt von Antony Connor,  mit einer Schwarzen, der Senora (Ute Hamm)  und wird im Dorf als vor den Schwarzen gerettetes Judenkind vorgestellt. Die Konflikte beginnen, als Andri Tischler, einen typisch adorranischen Beruf, erlernen will und noch dazu Cans Tochter Barblin heiraten möchte; dass sie seine Schwester ist, weiß er nicht. Andri will sich anpassen, erkennt aber den angeblichen Unterschied von ihm zu den anderen Andorranern nicht. So nach und nach projizieren die Andorraner ihre Vorurteile gegen die Juden auf Andri und er sieht sich immer mehr als solcher. Der Identitätskonflikt des Jungen wird sichtbar, Aggression kommt zum Vorschein.

Selbst als Andris Mutter kommt und auch der Vater, unterstützt durch den Pater, erstmals zu seinem Sohn steht, gelingt es nicht mehr, ihn von der Wahrheit zu überzeugen. Die Ereignisse überstürzen sich, die Mutter wird als “Spitzelin” ermordet und die Schwarzen marschieren ein. Andri wird aufgegriffen, bei einer Judenschau vorgeführt, als solcher erkannt und hingerichtet. Der Dorflehrer nimmt den Strick und Barblin hat den Verstand verloren.

Christoph Batscheiders Inszenierung wird gegen Ende des Stückes etwas unscharf, einige für mich wichtige Bilder, wie der Einmarsch der Schwarzen und die Judenschau unter Leitung eines professionellen Judenschauers sind unklar herausgearbeitet, der chronologische  Ablauf wird unübersichtlich. Die Zeugenaussagen einiger Andorraner im grellen Scheinwerferlicht eines leise quitschenden Spotlights, in denen sie ihre Unschuld erklären, ist sehr gut gelöst, auch die laute Heavy Metal – Musik von Rammstein zwischen den Bildern passt, sie unterstreicht perfekt die bizarre, schizophrene Situation auf der Bühne. Das Bühnenbild besticht in seiner Einfachheit, Buchenstühle und schwarze Wände sind ausreichend. Das Ensemble entsprach den gewohnt guten Leistungen, Thomas Pfertner als Andri und Aliscia Baumann als Barblin konnten mich überzeugen.

ANDORRA von Max Frisch / Premiere: 3. Oktober 2010 / Schauspielhaus Salzburg / Regie: Christoph Batscheider / Bühne: Vincent Mesnaritsch / Kostüme: Elke Gattinger / Mit: Alisca Baumann,Antony Connor,Christoph Griesser,Ute Hamm,Benjamin Lang,Marcus Marotte,Thomas Pfertner, Olaf Salzer, Benedikt Vyplel / Fotos: Eva-Maria Griese

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