Kultur ist ein Misthaufen
Theater.Licht wurde von Cassandra Rühmling und Stefan Ried 2020 mit dem Ziel gegründet, „lustvolles Theater mit eigens schwingender Note“ zu machen. Was eignet sich da wohl besser als Thomas Bernhards Stück über eine Königin der Nacht, die von einem Ignoranten (Vater) und einem Wahnsinnigen (Arzt) zerrieben wird. Cassandra Rühmling inszeniert und schlüpft selbst in die Rolle der Diva. Ein großartiger, intensiver Thomas-Bernhard-Abend am 14. Mai 2022 im Kleinen Theater.

Eine Aufführung von Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“ bildet die Rahmenhandlung. In der Garderobe warten der Vater der Sängerin und ein bekannter Arzt. Dieser hält einen Monolog über Kunst und unfähige Kritiker, unterbrochen von detaillierten Beschreibungen des Sezierens einer Leiche. Der Vater ist wortkarg und schon ziemlich betrunken, doch ist Trunksucht für ihn ein Kunstmittel. Anfangs wiederholt er nur einzelne Wörter, doch dann beklagt er sich immer öfter über sein rücksichtsloses Kind. Als die Diva endlich kommt („immer später, aber niemals zu spät“), ist sie hochgradig nervös und hektisch.
Auf der Bühne ist sie dann aber voll konzentriert und schmettert nicht nur die Arien der Königin der Nacht, sondern serviert ein köstliches Medley kreuz und quer durch die ganze Oper. Nach der Vorstellung wird beim Zirkel-Wirt diniert, doch nach feiern ist hier niemandem zu Mute. Die Diva will keine „Koloratur–Maschine“ mehr sein und beschließt daher, nach 200 Auftritten als Königin der Nacht „am Höhepunkt des Ekels vor der Kunst“ abzutreten. Sie sieht sich als Opfer ihrer eigenen Disziplin und ist daher naturgemäß todunglücklich. Darum wird jetzt genussvoll alles abgesagt. Der Vater allerdings sieht das als Verschwörung gegen ihn, musste er doch ständig für die Ungeheuerlichkeiten der Mutter aufkommen und wurde dafür auch noch mit einem rücksichtslosen Kind gestraft. Der Arzt monologisiert weiter dem Wahnsinn entgegen.
Da Cassandra Rühmling Operngesang am Mozarteum studiert hat, ist ihre wunderbare, sehr eigenwillige Interpretation der Opernarien ein wahrer Hochgenuss. Begleitet wird sie dabei von Stefan Ried auf den unterschiedlichsten Instrumenten, obwohl er als Arzt Operngesang sehr abfällig als „Kunstgezwitscher“ bezeichnet hat. Auf die Abgründigkeit der Französischen Revolution verweisen nicht nur die Kostüme, sondern auch eine kleine Guillotine, die allerdings nicht zum Einsatz kommt. Stefan Fleming brilliert als schwer betrunkener Vater, der sich zwar kaum auf den Beinen halten kann, bei seinen Hasstiraden jedoch ungeheure Kräfte entwickelt. Stefan Ried hingegen ist topfit, denn während der langen Monologe schafft er zur Entspannung auch noch wilde Turnübungen auf einem Schaukelstuhl.
Cassandra Rühmling glänzt alleine schon durch die wunderbare, von den Salzburger Festspielen zur Verfügung gestellte, blaue Robe samt Krone. Die dienstbaren Geister, Frau Vargo (Kunigunde Eschbacher) und Kellner Winter (Gerhard Fagerer), kommen zwar kaum zu Wort, machen das Stück, das ja eigentlich keine richtige Handlung besitzt, sehr lebendig. Ein überaus gelungener Theaterabend, an dem eigentlich alles passt. Selbst Thomas Bernhard schaut zufrieden lächelnd von einem Bild herab auf sein gelungenes Stück. Da kann man nur sagen: Ziel erreicht. Das war wirklich „lustvolles Theater mit eigens schwingender Note“. Da es sich um den zweiten Teil einer Heldinnen-Trilogie handelt, darf man auf Teil drei gespannt sein.
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