Im Kleinen Theater steht derzeit Marius von Mayenburgs Schauspiel über das Phänomen der körperlichen Entfremdung infolge übertriebener Schönheitschirurgie auf dem Programm. Bálint Walter inszeniert die makabre Komödie mit Max Pfnür als unsäglich hässlichem Menschen, der sich zwar zu helfen weiß, doch mit den Folgen etwas überfordert ist.

Herr Lette ist ein begabter Ingenieur und Erfinder des 2CK-Starkstromsteckers. Diesen möchte er nun auf einem Kongress präsentieren. Sein Chef schickt jedoch lieber seinen Assistenten Karlmann, da Lettes Aussehen dem Verkauf nicht förderlich sei. „Ihr Gesicht geht einfach gar nicht!“ Lette ist fassungslos, denn dass er unsagbar hässlich sei, hat ihm noch niemand gesagt, auch seine wunderschöne Frau Fanny nicht. Doch diese bestätigt ihm, dass sie zwar seine inneren Werte zu schätzen wisse, ihn jedoch nie richtig angesehen habe, ein Blick ins linke Auge habe ihr stets genügt. Da kann wohl nur noch eine Schönheitsoperation helfen. Der Chirurg ist nicht begeistert, denn er müsste ja das ganze Gesicht neu aufbauen. In so einem krassen Fall von Hässlichkeit übernähme zwar die Kasse die Kosten, doch sei eine Verzichtserklärung notwendig, denn „von ihrem Gesicht, wie es jetzt ist, bleibt nichts mehr übrig“, warnt der Chirurg. Die Operation ist blutig, doch das Ergebnis kann sich sehen lassen. Patient und Chirurg sind hoch zufrieden. Lette wird von Frauen umschwärmt und die Firma macht dank seiner Schönheit hohe Gewinne. Der Chirurg beschließt, sein Erfolgskonzept zu vermarkten. Und so begegnet man bald schon Kopien von Lettes wunderschöner Visage in der ganzen Stadt. Ein Pech für Lette, dass diese Kopien viel billiger zu haben sind.

Max Pfnür sieht als Lette vor und nach der Operation völlig gleich aus, die Bilder müssen in den Köpfen der Zuseher entstehen. Es ist jedoch klar zu erkennen, dass bei der Operation auch Lettes Identität unters Messer kam. Daran, dass die Damen nun Schlange stehen, gewöhnt er sich nur allzu rasch. Hans-Jürgen Bertram gibt den aufbrausenden Chef und den Chirurgen, der sich als begnadeter Künstler und Architekt sieht. Sebastian Martin Rehm überzeugt als Assistent Karlmann, der eigentlich nur ein kleiner, aber sehr ehrgeiziger Schraubendreher ist, und als schwuler Sohn einer dominanten Mutter. Auch Cristina Maria Ablinger wechselt ihre Rolle oft und sehr abrupt. Mal ist sie Fanny und im nächsten Moment eine „komplett sanierte“ 73-jährige Direktorin eines großen Konzerns, die es auf den schönen Lette abgesehen hat.
Die karge, dunkle Bühne zieren vier weiße Büsten griechischer Schönheiten, wohl Studienobjekte für den Künstler bzw. Chirurgen (Bühne: Otto Beck).
Bálint Walter hat Marius von Mayenburgs groteske Komödie, die der Eitelkeit einen Spiegel vorhält, mit viel Tempo in Szene gesetzt. Der Umgang mit Schönheit und Individualität wird mit Witz und trockenen Pointen unter die Lupe genommen und gipfelt in den slapstickartigen Schönheitsoperationen, die man als Schattenspiel miterleben darf.
„Der Hässliche“ – Schauspiel von Marius von Mayenburg. Regie: Bálint Walter. Bühne: Otto Beck. Mit: Max Pfnür, Cristina Maria Ablinger, Hans-Jürgen Bertram & Sebastian Martin Rehm. Fotos: Christoph Strom
Nächste Spieltermine: 1. und 2. Juli und 24. August 2021 im Kleinen Theater in Schallmoos.

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