Gardine – Vom Bettvorhang zur Predigt

Gardinen

Das Wort Gardine kam erst im 16. Jahrhundert ins Deutsche und bezeichnete zu dieser Zeit den Bettvorhang. Und mit den Bettvorhängen der Ehebetten hängt das Wort Gardinenpredigt zusammen.

Michaela Essler

Bis das Wort Gardine „Fenstervorhang“ im 16. Jahrhundert ins Deutsche gelangte, hatte es eine Reise durch mehrere europäische Sprachen hinter sich.

Der lateinische Ursprung

Am Anfang der Reise steht das kirchenlateinische Wort cortīna „Vorhang“, dem lateinisch cōrs, einer Kürzung aus cohors „Einzäunung, Hofraum“, zugrunde liegt. Kirchenlateinisch cortīna bezeichnete einen Vorhang, der einen Raum von einem Innenhof abgrenzt.

Vom Französischen ins Deutsche

Die Franzosen übernahmen den lateinischen Ausdruck cortīna und machten daraus courtine „Vorhang“. Als französisch courtine im Niederländischen ankam, machten die Holländer daraus niederländisch gordine, gardine und gordijn. Und vom Niederländischen wanderte das Wort dann weiter ins Niederdeutsche, wo es die Form Gardīne erhielt.

Vorhang und Bettvorhang

Anfang des 17. Jahrhunderts schließlich gelangte das Wort Gardine dann ins Hochdeutsche. Doch dort wurde es nicht wirklich heimisch. Denn im südlichen deutschen Sprachraum bevorzugen die Menschen das Wort Vorhang.

Als das Wort Gardine ins Deutsche kam, bezeichneten die Menschen damit den Bettvorhang. Die Bedeutung „weißer, durchsichtiger Fenstervorhang“ erhielt das Wort erst später.

Die Gardinenpredigt

Aus der Zeit als die Ehebetten noch mit Vorhängen ausgestattet waren, stammt das Wort Gardinenpredigt. Die Gardinenpredigt war eine nächtliche Strafrede, die Ehefrauen ihren Männern hinter den Gardinen des Ehebettes hielten, wenn die Männer spät nach Hause kamen und vielleicht auch noch betrunken waren.

Für diese Strafreden war im 17. Jahrhundert auch der Ausdruck Gardinenmesse im Umlauf. Ob sich die Gardinenmesse länger hinzog als die Gardinenpredigt ist nicht bekannt, kann jedoch vermutet werden. Jedenfalls dürften nicht nur die Frauen im deutschen Sprachraum spätheimkehrende Ehemänner gehabt haben. Denn die Gardinenpredigt findet sich auch im Englischen: curtain lecture und im Niederländischen: gordijnpreek, später bedsermoen.

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