Der Uhrmacher von Eva Braun

Eva Braun

Es ist ja der Mensch, der den Menschen bedroht

Hitler hat sich mit Eva Braun und seinen Leibwächtern im Führerbunker in Berlin verbarrikadiert. Bernard Da Costas Theaterstück spielt in den letzten Tagen vor dem Zusammenbruch des NS-Regimes und Hitlers Selbstmord am 30. April 1945.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Noch glaubt Eva Braun an einen Sieg und so lässt sie ihre Uhren reparieren. Helmut Vitzthum ist mit der Freien Bühne Salzburg ein atmosphärisch dichtes, beeindruckendes Porträt einer rätselhaften Frau gelungen. Absolut sehenswert!

Ein Sträfling, der beste und letzte Uhrmacher, der in den Lagern aufzutreiben war, wartet mit einem Wachsoldaten im Bunker auf Eva Braun, die einen ganz speziellen, privaten Auftrag hat. Sie erscheint völlig aufgekratzt, mit einem Glas Wein in der Hand und ist entsetzt über das schäbige Aussehen des Uhrmachers. Er sei schmutzig, stinke und sein gestreifter Pyjama ginge gar nicht. Der Soldat erklärt die schlechte Verfassung des Gefangenen und meint, dass etwas zu essen und trinken die Leistungsfähigkeit des Uhrmachers vielleicht steigern könnte. Eva erklärt eiskalt: „Wir sind hier kein Restaurant!“ Sie breitet ihre Uhrensammlung aus und der Gefangene macht sich geduldig ans Werk.

Eva beobachtet ihn misstrauisch und ärgert sich über seinen gequälten Gesichtsausdruck. Sie befiehlt ihm zu lachen, aber das funktioniert nicht wirklich. Obwohl ständig die Detonationen von Bomben zu hören sind, glaubt Eva anfangs noch an den Endsieg. „Das kommt alles wieder in Ordnung.“ Auf einem Spruchband kann das Publikum aber den Vormarsch der feindlichen Truppen verfolgen und auch Eva verliert allmählich ihre Zuversicht. Alkohol lockert ihre Zunge und nachdem der Uhrmacher und seine Wache für sie ja gar nicht existieren, legt sie schließlich fast eine Beichte ab. Sie gesteht, dass sie sich stets benutzt fühlte und an der Unterdrückung fast erstickt sei. Jetzt allerdings ist es mit ihrer Sanftmut vorbei, sie ist zu einem hartherzigen Ungeheuer geworden. Nie hat sie Fragen gestellt, wollte nie jemandem lästig werden, aus allem hat sie sich herausgehalten. Ihre Entschuldigung: „Ich wollte doch nur leben!“

Auch der Soldat hat seine Probleme, durfte er doch ganze vier Jahre lang nicht er selbst sein. Seine Entschuldigung: „Ich habe nur Befehle ausgeführt.“ Das große Glück war Evas „Hochzeit unter Ratten“ am 29. April 1945 mit Hitler wohl nicht und so kehrt sie ein letztes Mal zu ihrem Uhrmacher zurück und erklärt ihm den Sinn seiner Arbeit: „Die Uhren müssen repariert werden, damit es etwas gibt, das bleibt.“

Lydia Nassall brilliert als Eva Braun und bringt die unterschiedlichsten Facetten dieser einst so lebenslustigen Kindfrau zum Ausdruck. Während sie anfangs vollkommen empathielos reagiert und den armen Uhrmacher nur verhöhnt, erweckt sie mit zunehmender Verzweiflung fast Mitleid. Daniel Pink als Wachsoldat ist dieser starken Frau, die auch ihn ständig bedroht, völlig hilflos ausgeliefert. Christian Zink scheint, als Uhrmacher nicht von dieser Welt zu sein. An seinem müden, leidenden Gesichtsausdruck prallt jede Beleidigung ab. Kein Wunder, dass ihn der Soldat als „schwebenden Mann“ sieht, der ihn an die berühmte Skulptur von Ernst Barlach erinnert. Das Original dieses Symbols des Widerstands wurde 1937 als „Entartete Kunst“ eingeschmolzen.

Absolut stimmig auch das Bühnenbild von Alois Ellmauer, das die bedrohliche Enge, Kälte und Ausweglosigkeit des Bunkers deutlich macht. Die ständig blinkenden Neonröhren verstärken die kalte, unheimliche Atmosphäre. Die prachtvollen Kleider von Eva Braun – und sie zieht sich wirklich oft um – kommen aus dem Fundus des Salzburger Landestheaters.

Helmut Vitzthum ist ein ganz toller Theaterabend mit exzellenten Schauspieler*innen gelungen, an dem das Grauen dieser Zeit mitschwingt. Die „Pflicht der Erinnerung“ wurde auf theatrale Weise eindrucksvoll erfüllt. Weitere Vorstellungen am 11., 12., 19. und 20. April im Kleinen Theater.

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