Thinderella

Thinderella

Bodyshaming und Magersucht

Seit der Corona-Pandemie leiden immer mehr Mädchen an einer Essstörung. Das Theater ecce und ihr künstlerischer Leiter, Reinhold Tritscher, wollen diesen Menschen mit Benjamin Blaikners Jugendstück ein Sprachrohr geben und diese Erkrankung nicht weiter tabuisieren. Der Autor hat mit einer jungen Frau ein langes, sehr offenes Interview geführt und ihre Geschichte in abstrahierter Form auf die Bühne gebracht. Die Uraufführung mit anschließender Podiumsdiskussion fand am 10. Mai 2022 im OVAL – die Bühne im Europark statt. Ein überaus wichtiger Theaterabend, sehr zu empfehlen für Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Valerie hat ein paar Kilo mehr als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler. Diese lästern gnadenlos und schließen sie aus der Gruppe aus. Um ihre seelischen Schmerzen zu überwinden, fügt sie sich regelmäßig Verletzungen zu. Auch ihre zwar sehr bemühten, doch überforderten Eltern wissen sich nicht mehr zu helfen. Enttäuscht stellt Valerie fest: „Niemand kennt sich aus, weil niemand mich versteht.“

Da taucht plötzlich eine vermeintlich gute Fee auf und behauptet: „Ich kann dir helfen und ich werde dir helfen.“ Sie geht mit dieser falschen Freundin, die sich Ana nennt, einen gefährlichen, verhängnisvollen Pakt ein: 500 Kalorien täglich und zwei Stunden Sport. Wenn ihre besorgten Eltern ihr Essen servieren, bekommen sie jetzt immer nur „Danke! Ich bin satt!“ zur Antwort. Das Resultat ist ein monatelanger Aufenthalt in der Psychiatrie. Die Rückkehr in die Normalität ist aber nicht einfach. Ein unsensibler Chemieprofessor gibt ihr den Rest. Schließlich landet sie mit Magensonde im Spital und die Angst, die Kontrolle gänzlich zu verlieren, wird immer größer. Wer kann ihr wohl den Weg aus diesem Teufelskreis zeigen?

Helena May Heber überzeugt als gemobbte kleine Valerie, auch wenn die zierliche junge Dame anfangs in einen riesigen roten Ball gesteckt werden muss, um Rundungen vorzutäuschen. Rund um sie lästern munter und frech ihre Mitschüler (Amelia Eberdorfer, Elias Miguel Elmauthaler, Sarah Leonie Engelits, Melia Hermentin, Sam Münch und Anna Tonitz). Einige von ihnen tauchen später auch als Patienten in der Psychiatrie auf. Julienne Pfeil und Torsten Hermentin geben nicht nur die besorgten Eltern, sie schlüpfen auch noch in diverse andere Rollen, wobei Torsten Hermentin als strenger Chemieprofessor einen besonders „schlechten“ Eindruck hinterlässt. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht alle Lehrkräfte so reagieren. Katharina Köller verkörpert die böse Fee Ana, ihren Gegenpart, die gute Fee, Sophia Fischbacher. Dieser Mix aus professionellen Schauspielern und voll motivierten Jugendlichen verleiht dem Stück eine große Authentizität.

Thinderella

Nach der Premiere gab es eine Podiumsdiskussion mit Liane Hammer (ANAD Versorgungszentrum Essstörungen, München), Aline Halhuber Ahlmann (Geschäftsführerin des Frauengesundheitszentrums Salzburg) und Universitätsprofessor Leonhard Thun-Hohenstein (Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie). Alle zeigten sich sehr angetan von dem Stück und vor allem der Personifizierung von Ana, denn die Jugendlichen könnten meist nicht zwischen „Ich“ und „Essstörung“ unterscheiden. Einhellig auch der Wunsch nach mehr Stellen für Kinder mit psychischen Störungen, da es im Moment oft zu Wartezeiten von mindestens einem halben Jahr komme.

Der Autor und Regisseur Benjamin Blaikner über seine Motivation zu „Thinderella“: „Ich möchte mit dem Stück Menschen unterstützen, ins Gespräch zu kommen und Themen anzusprechen, die sie bisher vermieden haben.“

Thinderella

„Thinderella“ – ein Jugendstück von Benjamin Blaikner. Theater ecce. OVAL – Die Bühne im EUROPARK. Text & Regie: Benjamin Blaikner. Kostüme: Nora Fankhauser. Visualisierungen: Hannah Shong. Mit: Amelia Eberdorfer, Elias Miguel Elmauthaler, Sarah Leonie Engelits, Sophia Fischbacher, Melia Hermentin, Torsten Hermentin, Katharina Köller, Helena May Heber, Sam Münch, Julienne Pfeil, Anna Tonitz. Alle Fotos: Theater ECCE/ Foto Flausen

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