„Sale“ – eine neue Form der Kapitalanlage

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Mit der Uraufführung einer bitterbösen Komödie des Dramatikers Georg Heinzen startete das Salzburger Landestheater am 25.1.2013 eine sozialkritische Themenwoche, die sich mit der Vermarktung des Menschen beschäftigt und der Frage nachgeht, ob Marktmechanismen mit der menschlichen Würde vereinbar sind.

Von Elisabeth Pichler.

Bei Familie Neumann ist nicht nur der Kühlschrank kaputt, auch der Haussegen hängt schief. Während Christina im Supermarkt an der Kasse schuftet, schleicht ihr arbeitsloser Gatte, stets mit einer Flasche Bier in der Hand, frustriert durch die Wohnung. Töchterchen Lisa ist in einem schwierigen Alter. Sie verachtet ihren Vater, schlurft ständig halbnackt zum Kühlschrank, um hier mit Magnetbuchstaben ihre Kommentare zu hinterlassen, denn sie weigert sich zu sprechen. „Warum hört keiner, wie mein Herz aus Glas zerbricht?“ Um ihre seelischen Nöte kümmert sich nur ihr Freund, ein asozialer Schnüffler, den sie gerne mit nach Hause bringt, um ihren Vater zu ärgern. Als nach einer Staatspleite das Land verkauft wird, ändert sich die Situation. Familie Neumann kann ihr Glück kaum fassen, sie wird von einem Yuppie-Pärchen gekauft, Humankapital hat eben seinen Wert. Bei der kinderlosen Nachbarsfamilie, den Schusters, sieht es weniger rosig aus. Sie werden auf eBay versteigert, weil sie so ehrlich waren, auf dem Fragebogen all ihre Mängel, inklusive Herzinfarkt und psychischer Störungen, anzugeben. Ob sich das neue Sklavensystem im Alltag bewähren wird?

Axel Meinhardt mimt im coolen Outfit, meist reichen Unterhose und T-Shirt, den arbeitslosen Loser Hans Neumann, Beatrix Doderer seine frustrierte Ehegattin Christina, die fleißige Supermarkt-Angestellte. Elisabeth Halikiopoulos erheitert als Töchterchen Lisa das Publikum. Sie schafft es, in ihren aufreizenden Gang – mit durchsichtiger Strumpfhose und String-Tanga – all die Verachtung hineinzulegen, die sie für diese „Schrottfamilie“ empfindet. Tim Oberließen, als ihr Freund mit Suchtproblemen, ist ständig auf der Suche nach Lösungsmitteln. Seine Chancen, einen Käufer zu finden, stehen äußerst schlecht, ist er doch das Produkt eines anonymen Samenspenders. Marco Dott und Tina Eberhardt leiden als Nachbarsfamilie still vor sich hin, sie haben wenig zu lachen, findet sich doch auch für sie kein Käufer. Ganz anders sieht es bei Shantia Ullmann und Christoph Wieschke, dem Yuppie-Pärchen, aus. Hier gibt es zum Hochzeitstag statt des ersehnten Hundes gleich eine ganze Familie als Überraschungsgeschenk: Vater, Mutter, Kind, ein echtes Schnäppchen.

Die Bühne, eine rosarote Styropor-Wohnung, scheint nicht ganz fertig zu sein oder sich bereits wieder in Auflösung zu befinden. Stabil ist hier nichts, ein Spiegelbild der familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse (Ausstattung: Daria Kornysheva). Thomas Schendl hat diese Farce, eigentlich ein Albtraum-Szenarium, im Stil einer Boulevard-Komödie, in der auch besinnlich-beschauliche Momente nicht fehlen, in Szene gesetzt. Georg Heinzens erste Theaterarbeit wurde vom Premierenpublikum begeistert aufgenommen. So geschickt verpackt darf auch über einen Staatsbankrott gelacht werden.

„Sale“ – Komödie von Georg Heinzen. Inszenierung: Thomas Schendel. Ausstattung: Daria Kornysheva. Dramaturgie: Friederike Bernau. Mit: Axel Meinhardt, Beatrix Doderer, Elisabeth Halikiopoulos, Tim Oberließen, Marco Dott, Tina Eberhardt, Shantia Ullmann, Christoph Wieschke, Florian Stohr. Fotos: SLT

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