Im Rahmen des Zwischenräume-Festivals kam am 22. Juli 2020 im Theaterzelt im Volksgarten das bekannte Märchen der Gebrüder Grimm über zwei sehr unterschiedliche Schwestern zur Aufführung. Die flotte, modernisierte Theaterfassung von Mathias Schuh brachte die Kleinen (empfohlen ab vier Jahren) zum Staunen und unterhielt gleichzeitig mit viel Wortwitz auch deren Begleitpersonen. Das Ergebnis: ein rundum zufriedenes Publikum.

Von Elisabeth Pichler
Zwei muntere, junge Damen wollen den Kindern ein „richtiges“ Märchen erzählen, denn sie vermuten, dass die Kinder viel zu viel fernsehen und daher echte Märchen kaum mehr kennen. Sie schicken aber die Warnung voraus, dass Märchen nicht immer gut ausgehen, jedenfalls nicht für alle. Dann beginnen sie zu erzählen: Es war einmal eine Witwe, die hatte zwei Töchter. Die eine, die ihr verstorbener Mann in die Ehe mitgebracht hatte, war fleißig und schön, die andere zwar hässlich und faul, doch Mamas absoluter Liebling, war sie doch ihre eigene Tochter. Dann werden die Rollen verteilt. ___STEADY_PAYWALL___
Die Blonde (Karoline Schragen) spielt die gute Maria, die am Spinnrad sitzt und spinnt, bis ihre Finger bluten. Die Dunkelhaarige (Lydia Nassall) schlüpft in die Rolle der bösen Kunigunde, sonnt sich neben ihr Liegestuhl und schikaniert ihre Schwester. Als die arme Stieftochter ihre blutigen Finger am Brunnen kühlen will, fällt sie hinein, verliert das Bewusstsein und landet auf einer herrlichen Blumenwiese. Von einem jämmerlichen Weinen wird sie geweckt. Es ist „ein Brot in Not“, das schon viel zu lange im Ofen steckt. Natürlich rettet sie das arme Brot. Dann trifft sie auf einen Apfelbaum, der geschüttelt werden möchte. Er singt das todtraurige Lied von den zehn kleinen Blüten, die er einmal besaß und die nun alle verschwunden sind. Mal war der Frost schuld, dann ein Vogel oder ein Wurm. Nun ist nur mehr ein einziger Apfel übrig. Maria hilft auch hier und erreicht schließlich mit Brot und Apfel das Häuschen der Frau Holle. Sie hilft nun der alten Frau im Haushalt und schüttelt täglich die Betten aus, damit es auf der Erde ordentlich schneit, schließlich ist ja irgendwo immer Winter.
Für ihre Mühe erhält sie gutes Essen, „Gesottenes und Gebratenes“, und hört nie ein böses Wort. Obwohl es ihr hier so richtig gut geht, bekommt sie Heimweh. Frau Holle hat Verständnis, bedankt sich bei dem braven Kind und belohnt es mit einem Goldregen. Als Maria glitzernd und glänzend ihr Heim erreicht, wird die böse Kunigunde ganz blass vor Neid und beschließt, ebenfalls zu Frau Holle zu gehen, um sich auch einen Goldregen zu sichern. Das kann natürlich nur schief gehen. Mathias Schuh ist jedoch der Meinung, dass jeder eine zweite Chance verdient und vielleicht hat ja die fiese Kunigunde aus ihren Fehlern gelernt.
Karoline Schragen und Lydia Nassall verkörpern nicht nur die zwei ungleichen Schwestern. Mit großem Hut, altmodischem Schultertuch und Krückstock verwandeln sie sich in die freundliche, alte Frau Holle. Ein paar Zweige lassen sie zum singenden Apfelbäumchen werden. Auch dem weinerlichen „Brot in Not“ leihen sie abwechselnd ihre Stimme. Beim Umbau der bemalten Kulissen sind beide sehr fleißig und die Kinder beobachten staunend, wie mit ein paar Handgriffen aus einem Brunnen plötzlich eine Blumenwiese wird.
Mathias Schuh, Schauspieler, Regisseur, Musiker, Autor, Qigonglehrer und Gitarrenbauer, schafft es immer wieder, klassische Märchen mit flotten Liedern aufzupeppen und so mitreißend zu servieren, dass die Kleinsten kaum mehr auf ihren Plätzen zu halten sind. Bei der Premiere stürmten sie beim Schlusslied regelrecht die Bühne. Ab Oktober wird „Frau Holle“ dann im Kleinen Theater zu sehen sein.
„Frau Holle“ – Märchen nach Grimm von Mathias Schuh. Die Theaterachse. Mit: Karoline Schragen und Lydia Nassall. Fotos: © Andreas Hechenberger
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