George Bizet’s Carmen, die skandalumwitterte Erfolgsoper aus dem Jahr 1875, Wunschkonzert und Oper mit Anspruch zugleich, sowie Spiel um die gefährliche Liebe macht im Salzburger Festspielhaus Station.

Von Siegfried Steinkogler
Wer zum Musikgenießen ein besonderes Ambiente sucht, dem sei die zur Zeit laufende Carmen-Produktion des Salzburger Landestheaters empfohlen. Die Felsenreitschule bildet den optimalen Ort für Regisseur Andreas Gergen und sein Team um ein farbenfrohes Spektakel zu entwerfen respektive umzusetzen. Dazu zählen Chor, Kinderchor und Ballett des Salzburger Landestheaters, Schmuggler, Zigeunerinnen, Soldaten und nicht zuletzt die Protagonisten der Handlung.
Das Bühnenbild ist geprägt durch farbige, übereinander geschichtete Container, die sich in umgekehrter Position trefflich in das Bild der Felsenreitschule einfügen. Der Stoff scheint in den meisten Szenen schlüssig umgesetzt. Die Liebesgeschichte um Don José wird mit wenig Pathos behandelt, der Stierkämpfer Escamillo fährt in seiner Luxuslimousine vor, ein technischer Schachzug, der – obschon keineswegs neu – große Wirkung hervorruft. Zu den großen Momenten dieser Carmen zählt auch das waghalsige Abseilen der Schmuggler von der senkrechten Wand der Felsenreitschule. Was hier geschmuggelt wird, darüber lässt die dekorative Mohnblumenplantage kaum einen Zweifel aufkommen. ___STEADY_PAYWALL___

In der Kneipe Lilas Pastias geht es wahrlich zur Sache. Hier wird ein Feuerwerk an ungezügelter Leidenschaft entfacht, unterstützt durch die freizügige Bekleidung Carmens und ihrer Komplizinnen (Kostüme von Conny Lyders).

Trotz vieler schöner Momente in der Inszenierung wirkt diese Carmen am meisten durch die Musik. Das lässt sich am besten an der Hauptdarstellerin selbst feststellen. Am besten verführt Oksana Volkova durch ihre Stimme. Weniger gelingt es ihr, eine eigenständige Charakterfigur zu formen, der man ihre schnelllebige Liebesneigung, die bis zur Gewaltbereitschaft reicht, auch abnimmt. Ihre fast beispiellos berühmten Arien beherrscht sie aus dem Effeff. Auch Andeka Gorotxategi als unglücklicher Don José besticht durch seine solide Repertoirebeherrschung. An lyrischer Zurückhaltung lässt er es nicht mangeln und befriedigt somit die Erwartungshaltung, die seine Rolle vorgibt. Das gilt sinngemäß auch für Zachary Nelson (Escamillo), der – barhäuptig und mit schwarzem Vollbart – mit seiner sonoren, extrovertierten Bassstimme der Rolle des Don José das nötige Gegengewicht verleiht.

Der an sich gelungenen Aufführung wird durch die meisterhafte Ausführung so mancher Nebenrolle die nötige Würze verabreicht. Zu erwähnen sind Franz Supper als Remendado, Elliott Carlton Hines als Morales wie auch Raimundas Juzuitis als Leutnant Zuniga. Eine herausragende Leistung bot Laura Nicorescu als Frasquita, die sehr wohl dazu in der Lage wäre, Carmen Paroli zu bieten, so sie es denn wollte. Glänzend unterstützt wird sie dabei von Rowan Hellier als Mercedes. Beide waren etwa maßgeblich am Erfolg der Kartenlegeszene beteiligt.

Zweifellos eine Sopranistin von Format ist Elena Stikhina. Trotz vieler schöner Momente in ihren Arien fügt sich der Part der Micaela hier nur schwer in den Gesamtablauf der Handlung ein, was der Micaela insgesamt eine gewisse Beiläufigkeit verlieh, die in dieser Form wohl nicht gewollt war.
Immer besser in Szene setzen kann sich die erst seit kurzem in Salzburg weilende Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla. Durch die vielen großen Chorszenen (manchmal überziehen an die 100 Akteure den Spielort) ist sie koordinationshalber vielbeschäftigt. Auch ein großer Stoff wie die Carmen liegt ihr sichtlich. Sie ist im Stande die geheimnisvollen Facetten der Partitur herauszufiltern und wird so zur Quelle der Inspiration für das beeindruckend spielende Mozarteumorchester.
Die Kürzung der Oper von ursprünglich vier auf drei Akte brachte einen Nachteil und einen Vorteil. Zwar traf zum einen der tragische Tod Carmens durch die Zusammenlegung der Akte relativ unerwartet, zum anderen wurde auf diese Weise die eine oder andere Länge des Originals ausgemerzt.
Carmen | Oper in drei Akten von Georges Bizet | Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy | Salzburger Landestheater in der Felsenreitschule – Festspielhaus | Premiere: 18.10.2015 | Musikalische Leitung: Mirga Gražinytė-Tyla | Dirigent: Mirga Gražinytė-Tyla, Adrian Kelly | Inszenierung: Andreas Gergen | Choreographie: Peter Breuer | Bühne: Peter J. Davison | Kostüme: Conny Lüders | Choreinstudierung: Stefan Müller | Dramaturgie: Svenja Gottsmann | Besetzung: Zuniga – Raimundas Juzuitis, Don José – Andeka Gorrotxategi, Escamillo – Zachary Nelson, Morales / Dancairo – Elliott Carlton Hines, Remendado – Franz Supper, Frasquita – Laura Nicorescu, Mercedes – Rowan Hellier, Carmen – Oksana Volkova, Micaela – Elena Stikhina, Tod – Walter Sachers, Chor und Extrachor des Salzburger Landestheaters, Mitglieder Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor, Ballett des Salzburger Landestheaters, Orchester Mozarteumorchester Salzburg | Video: SLT | Fotos: Anna-Maria Löffelberger
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