Einfach kompliziert – Thomas Bernhard

Einfach kompliziert – Thomas Bernhard

„Mause, Mäuse, Mäuse, die Mäuse sind übrig geblieben, alle weggestorben, ausnahmslos.“ So beginnt das Selbstgespräch, die „Sterbenschronologie“, eines in die Jahre gekommenen Schauspielers, der nur noch in der Vergangenheit lebt.

Elisabeth PichlerVon Elisabeth Pichler

In einem abgetragenen Morgenmantel schlurft er in Filzpantoffeln durch sein armseliges Zimmer, öffnet den fast leeren Kühlschrank, gießt einen Kaktus und widmet sich dann wieder den Mäusen. Er notiert: „Mäusegift kaufen, denn wir fangen sie nicht mehr, wir vergiften sie.“ Er lebt seit dem Tode seiner Frau völlig isoliert, hat seit 15 Jahre keinen Brief mehr aufgegeben, das Telefon abgemeldet, nur die Zeitung lässt er ins Haus und ein kleines Mädchen, das im zweimal wöchentlich Milch bringt. Wenn dieses Mädchen auftaucht, wird er plötzlich ganz sanft und unterbricht für kurze Zeit seine Hasstiraden. Er gesteht ihr, dass er eigentlich gar keine Milch mag und dass er nie ein richtig guter Schauspieler gewesen ist. Auch seine Krone, ein Erinnerungsrequisit aus besseren Tagen, darf sie – als einzige außer ihm – aufsetzen.

Das Publikum darf den Protagonisten einen Tag lang begleiten bzw. belauschen, früh, mittags und abends. Schließlich hüllt er sich frierend in eine große Decke, wärmt seine Füße an einem Heizstrahler und dreht schließlich seinen Lehnstuhl zum Fenster. Hinausschauen ist in Ordnung, solange er nicht selbst auf die Straße muss.

Das Stück war Thomas Bernhards Geschenk an Bernhard Minetti zu dessen 80. Geburtstag. Bernhard übergab Minetti sein Werk mit der kurzen Bemerkung: „Machen Sie mit dem Stück, was Sie wollen.“ Er ist also ein Stück für einen Schauspieler und gleichzeitig ein Stück über einen Schauspieler. Vor allem aber ist es eine gewaltige Herausforderung für jeden Schauspieler, der sich nach Minetti an diesen Monstermonolog wagt. Klaus Martin Heim, der 1983 von der Zeitschrift „Theater heute“ zum Schauspieler des Jahres gekürt wurde, braucht den Vergleich wahrlich nicht zu scheuen.

Minetti sagte einmal, dass es die Aufgabe eines Bernhard-Schauspielers sei, dessen Personen „bis ins Detail in ihrer Menschlichkeit zu folgen“. Klaus Martin Heim schafft es, dem Publikum all die Verbitterung und Einsamkeit dieses alternden Schauspielers, seine Wut, Erregung und Enttäuschung nahezubringen, doch – wie immer bei Bernhard – fehlt es nicht an Witz, Lebensfreude und Komik.

Reinhard Tritscher, der neue künstlerische Leiter des Odeion Kulturforums Salzburg, ist zu Recht stolz darauf, dass er mit einem so großartigen Stück in idealer Besetzung seine Funktionsperiode beginnen durfte.

„EINFACH KOMPLIZIERT“ – Schauspiel in 3 Akten von Thomas Bernhard, eine Stadtteater-Bruneck-Produktion in Zusammenarbeit mit dem Kulturforum Odeion Salzburg / Mit: Klaus Martin Heim / Regie: Claus Tröger / Bühne: Klaus Gasperi / Licht&Ton: Jan Gasperi / Fotos: Klaus Martin Heim – Odeion

Weitere Vorstellungen: Sa.10.04 (19.30). Mi.14.04 (10 Uhr + 19.30 Uhr). Fr.23-04 (19.30 Uhr)

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