„Geschichten aus dem Wienerwald“ – die Tragödie eines Wiener Madls

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Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Ödön von Horváths Volksstück setzt sich kritisch mit der kleinbürgerlichen Gesellschaft zur Zeit der Weltwirtschaftskrise vor Beginn des 2. Weltkrieges auseinander. Es demaskiert die Wiener Gemütlichkeit und stellt deren Verlogenheit zur Schau. Die bitterböse Tragikomödie feierte am 2. Februar 2019 in der Inszenierung von Carl Philip von Maldeghem im Salzburger Landestheater Premiere.

Marianne, die Tochter des Zauberkönigs soll aus wirtschaftlichen Gründen den biederen Fleischhauer Oskar heiraten. Bei der Verlobungsfeier an der Donau lernt sie den charmanten Hallodri Alfred kennen und „er schlägt wie ein Blitz in sie ein“. Als sie Oskar seinen Ring zurück gibt, wird sie von ihrem hartherzigen Vater verstoßen. Ein Jahr später sitzt Marianne mit einem Kind und einem unzufriedenen, frustrierten Mann in einer kleinen, schäbigen Wohnung und weiß nicht, wie es weiter gehen soll.

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Um finanziell über die Runden zu kommen, vertraut sie ihr Kind, den kleinen Leopold, Alfreds Mutter und Großmutter in der Wachau an. Sie versucht mit ihrem Hobby der „Rhythmischer Gymnastik“ Geld zu verdienen, landet jedoch in einem zwielichtigen Etablissement. Dort wird sie zu Unrecht des Diebstahls bezichtigt und kommt ins Gefängnis. Der treue Oskar jedoch wartet nach wie vor auf sie. Mit seiner Drohung „Du wirst meiner Liebe nicht entgehen.“ sollte er Recht behalten.

Eine riesige, drehbare, weiß verflieste Mauer, die an ein Schlachthaus denken lässt, ermöglicht die im Stück geforderten vielen Ortswechsel. Passende Requisiten und stimmige Beleuchtung lassen die sterile Mauer vergessen und das Publikum in die Trostlosigkeit der stillen Straße im 8. Bezirk eintauchen und die gute Luft in der Wachau erahnen. (Bühne und Kostüme: Stephanie Seitz)

Marianne (Nikola Rudle) hat wirklich kein Glück mit den Männern. Erst wird sie von ihrem herrischen Vater (Walter Sachers) wie eine Dienstmagd behandelt, ein Jahr später von dem gar nicht mehr charmanten Alfred (Sascha Oskar Weis) brutal herumkommandiert. Für diesen Strizzi hat die Trafikantin (Britta Bayer) jede Menge Schimpfwörter parat, hat er sie doch wegen der lieben Marianne verlassen. Sie tröstet sich aber ziemlich schnell mit einem deutschen Jungnazi, dem strammen Studenten Erich (Gregor Schulz). Beim Heurigen schmettert die windige Gesellschaft gemeinsam mit einem skurrilen Mister, einen in Amerika reich gewordenen Wiener (Franz Supper), mit Inbrunst und der nötigen Lautstärke Wienerlieder. In der Wachau leben Alfreds Mutter (Eva Christine Just) und die bösartige Großmutter (Janina Raspe als Madonnenfigur), die den kleinen Leopold zu Tode pflegt.

Ein Theaterabend an dem in der Inszenierung von Carl Philip von Maldeghem von der heilen Familienidylle nichts mehr übrig bleibt. Mariannes naiver Emanzipationsversuch scheitert kläglich, jetzt erwartet sie eine trostlose Ehe mit einem ungeliebten, zur Brutalität neigenden Mann. Liebliche Walzerklänge, Horváths eigenwillige Sprache, eine Zersetzung von Dialekten, und der vom Autor geforderten „Stille“, machen die trieftraurige Geschichte leichter erträglich. Nach wie vor ein hochaktuelles Stück, für das der 30-jährige Horváth noch vor der Uraufführung 1931 in Berlin auf Vorschlag Carl Zuckmayers den Kleist-Preis erhielt.

„Geschichten aus dem Wiener Wald“ von Ödön von Horváth. Inszenierung: Carl Philip von Madeghem. Bühne und Kostüme: Stephanie Seitz. Licht: Richard Schlager. Mit: Sascha Oskar Weis, Eva Christine Just, Janina Raspe, Britta Bayer, Christoph Wieschke, Lara Horvath/Muriel Glage, Tim Oberließen, Nikola Rudle, Walter Sachers, Gregor Schulz, Marco Dott, Franz Supper. Fotos: SLT/ © Anna-Maria Löffelberger

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1 Kommentar zu "„Geschichten aus dem Wienerwald“ – die Tragödie eines Wiener Madls"

  1. Sehenswerte Inszenierung, wenn auch da und dort mit kleineren Unschärfen.

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