Die intime Atmosphäre der Sonderbar des Schauspielhauses Salzburg eignet sich hervorragend für Duncan Macmillans unsentimentalen Monolog zum Tabuthema Depression. Eine junge Frau stellt sich ganz natürlich und ungezwungen den Problemen ihrer Kindheit und Jugend und fordert das Publikum sehr charmant zum Mitspielen auf. Ein berührender, lebensbejahender Theaterabend, sehr zu empfehlen.

Von Elisabeth Pichler
Die junge Dame (Magdalena Oettl) ist schwer beschäftigt, denn ihre Wohnung ist voller Umzugskartons und bald sollten die ersten Wohnungsbesichtigungen starten. Ein kleiner, unter dem Teppich versteckter Zettel weckt Erinnerungen an einen denkwürdigen Tag. Es war der 9. November 1996, als ihr Vater sie von der Schule abholte und mit ihr ins Krankenhaus fuhr. „Deine Mutter hat etwas ganz Dummes gemacht.“ Daswar seine Erklärung für deren Selbstmordversuch. Sie war damals ein siebenjähriges Kind und fasste den Entschluss, ihrer Mutter eine Liste mit den Dingen aufzuschreiben, für die es sich zu leben lohnt. Es sollten mindestens tausend Punkte werden. 1. Eiscreme, 2. Wasserschlachten, 3. länger aufbleiben dürfen als sonst und fernsehen, 4. die Farbe Gelb… So fängt die Liste an, die die Mutter wirklich liest, was die ausgebesserten Rechtschreibfehler beweisen. Natürlich versucht auch die Schulpsychologin, mit Hilfe eines sprechenden Hundes der armen Kleinen zu helfen. Leider ist es zehn Jahre später wieder so weit. Doch auch der zweite Versuch der Mutter klappt nicht. Die Ich-Erzählerin muss feststellen, dass das jüngere Ich viel hoffnungsvoller war. Nun denkt sie über den Werther-Effekt nach, gibt sich selbst die Schuld und lebt mit der Angst, dass auch der Hang zum Selbstmord vererbbar sein könnte.
Ihre Liste findet sie jetzt kindisch und voll peinlich und doch kommt sie nicht davon los. Jetzt wird sie aber kreativer und so setzt sie ihr ehrgeiziges Projekt fort. Im Rausch der ersten Liebe nähert sie sich schon der Million. Sie will nun das Leben genießen und nicht mehr an sich zweifeln: „Ich habe einen Rat für jeden, der mit dem Gedanken an Selbstmord spielt. Er geht so: Tu´s nicht. Es wird besser. Nicht unbedingt immer absolut schön. Aber besser.“
Leider war die Sonderbar nicht allzu gut besucht, doch dadurch wurden wir alle zu Mitspielern. Der schweigsame Vater, der immer nur „Warum?“ stammelt, eine Tierärztin, die Schulpsychologin mit ihrem Hund Wuff, eine Uni-Professorin und die erste große Liebe, sie alle hatten ihren großen Auftritt und bekamen zum Schluss auch tosenden Applaus.
Ein Abend voll Wärme und Intensität mit einer wunderbar natürlichen Magdalena Oettl, die das Publikum auf ihre ganz persönliche Reise in die Vergangenheit mitnimmt. Vielleicht sollte man ja selbst auch einmal mit einer Liste beginnen. Wäre sicher eine gute Therapie, die aufzeigt, warum es sich für mich selbst zu leben lohnt. Mein erster Punkt steht jedenfalls schon fest: Theaterbesuch!
„All das Schöne“ von Duncan Macmillan. Sonderbar im Schauspielhaus. Regie: Verena Holztrattner. Mit: Magdalena Oettl. Spieltermine bis 16. November 2022. Foto: Schauspielhaus
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