Mit Tennessee Williams berühmtem Südstaaten-Drama wurde im Schauspielhaus Salzburg die neue Theatersaison eröffnet.

Von Elisabeth Pichler
Die Hollywood-Verfilmung mit Marlon Brando als animalisch-derbem Stanley Kowalski und Vivien Leigh als der scheinbar wohlerzogenen Tochter aus gutem Hause Blanche DuBois, in der Regie von Elia Kazan, gewann 1951 vier Oscars und war für acht weitere nominiert.
Nun setzt der junge Regisseur Rudolf Frey diesen Klassiker des 20. Jahrhunderts im Salzburger Schauspielhaus in Szene.

Stella vergnügt sich mit ihrem Mann auf einer schäbigen Matratze. Das Chaos, das in dieser kleinen Wohnung herrscht, die schmutzige Wäsche, die überall herumliegt, dies alles scheint die beiden nicht zu stören.
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Da taucht plötzlich Stellas Schwester Blanche auf und verkündet, dass sie vorübergehend bei ihnen einziehen möchte. In ihrem schicken Cocktailkleid wirkt sie völlig deplatziert, sie ist über „diese Verhältnisse“ so schockiert, dass sie ihre zerrütteten Nerven nur mit Whiskey beruhigen kann.

Stellas Mann Stanley, ein polnischer Einwanderer und einfacher Arbeiter, ist von diesem unerwarteten, überraschenden Besuch absolut nicht begeistert. Die hochneurotische und hysterische Blanche mit ihrem affektierten Verhalten ist ihm von Anfang an suspekt. Als er erfahren muss, dass der einst stolze Familienbesitz verloren gegangen ist, fängt er an, Nachforschungen anzustellen. Ein erbarmungsloser Machtkampf beginnt, doch Blanche ist Stanley hoffungslos unterlegen. Das Kräftemessen der ungleichen Protagonisten eskaliert und mündet in eine Katastrophe.

Tennessee Williams beschreibt in diesem Drama das Aufeinanderprallen zweier äußerst unterschiedlicher Gesellschaftsschichten. Blanche und Stella stammen aus einer angesehenen, kultivierten Südstaaten-Familie. Stanley dagegen ist nur ein eingewanderter „Polake“ und einfacher Arbeiter. Während sich Stella mit dem Abstieg abgefunden hat, denn sie ist diesem zwar primitiven, dafür aber animalischen Mann verfallen und verzeiht ihm sogar seine gelegentlichen, brutalen Übergriffe, lebt Blanche nur in ihren Erinnerungen, die sie sich schönfärbt.
Schließlich kann sie zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Realität und Illusion nicht mehr unterscheiden: „Ich rede nicht von dem, was wahr ist, sondern von dem, was wahr sein sollte, und wenn das eine Sünde ist, so will ich verdammt sein.“

Die Rolle der Blanche, einer alternden Schönheit, gibt Elke Hartmann die Möglichkeit, sämtliche Register ihres schauspielerischen Könnens zu ziehen. Grandios, wie sie es versteht, jeden Mann, der ihren Weg kreuzt, zu becircen und zu beflirten, um dann wieder die verkannte Unschuld zu spielen. Meist gibt sie sich als verwöhnte Grande Dame, die stundenlang ihre warmen Bäder zelebriert, doch dann wieder wirkt sie wieder wie ein kleines, ungezogenes, beleidigtes Kind.

Christiane Warnecke als Stella stapft dagegen selbstbewusst herum, sie scheint zufrieden mit ihrem ungehobelten Mann. Timo Senff darf als Stanley den brutalen Wüterich geben. Seine Art, den Tisch abzuräumen, ist nicht die feinste, da erweist es sich als Vorteil, dass in diesem Haushalt ohnehin nur Pappteller und Plastikbecher zu finden sind. Stanleys Freunde, die gerne einen über den Durst trinken, wenn sie ihre Dart-Abende abhalten, sind eine Gruppe von Schwächlingen mit großer Klappe.

Volker Wahl glänzt als Paradebeispiel eines bemitleidenswerten Versagers, wenn er mit hängenden Schultern und leerem Blick über die Bühne schlurft, immer Richtung Kühlschrank, immer Richtung Bier. Oliver Hildebrand als Mitch wirkt zwar etwas vernünftiger, doch hätte Blanche mit diesem Muttersöhnchen sicherlich auch nicht das große Los gezogen.

Die Bühne (Vincent Mesnaritsch) ist zwar karg, doch äußerst funktionell. Hinter dem leicht durchsichtigen, weißen Vorhang darf Blanche ausgiebig baden. Zur Seite geschoben, ist die Bühne plötzlich riesig groß und vielseitig einsetzbar: als Bar, als Straße oder als Wohnzimmer der Frau Nachbarin (Ulrike Arp).

Tennessee Williams Drama über Illusionen und Sehnsüchte, über den Dünkel der besseren Gesellschaft und das Misstrauen gegenüber Emigranten hat nicht an Aktualität eingebüßt. Dem Schauspielhaus gelingt mit dieser Aufführung ein vielversprechender Auftakt in die neue Theatersaison. Fast drei Stunden intensives, aufwühlendes Theater, eine beeindruckende Inszenierung und eine wunderbare Ensembleleistung.

„Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams /Deutsch von Helmar Harald Fischer / Regie: Rudolf Frey / Bühne: Vincent Mesnaritsch / Kostüme: Elke Gattinger / Dramaturgie: Birgit Lindermayr / Licht: Florian Haß. / Fotos: Eva-Maria Griese
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