Malte Herwig: Austrian Psycho

Herwig Malte | Foto: Molden Verlag © Christina Körte

Herwig Malte | Foto: Molden Verlag © Christina Körte

Malte Herwig: Austrian Psycho

Autor: Malte Herwig
Titel: Austrian Psycho – Jack Unterweger
ISBN: 978-3-990-40742-4
Verlag: Molden Verlag
Erschienen: 24.01.2024

Klappentext:

Jack Unterweger: Das ist mehr als bloß Stoff für True Crime. Bis heute hält der Serienmörder und »Häfenpoet« die Nachwelt in seinem Bann.

1990 kommt der verurteilte Frauenmörder, der sich im Gefängnis zum gefeierten Schriftsteller gewandelt hat, frei – auf Druck der Kulturszene. Jelinek, Grass, Jandl machen sich für ihn stark. Er gilt als rehabilitiert, wird in Wiens besserer Gesellschaft verehrt.

Doch Unterweger mordet weiter. Elf Frauen verlieren ihr Leben. Wie gelang es diesem Ungeheuer, die Menschen für sich zu vereinnahmen? Sie regelrecht zu verführen? Der deutsche Journalist und Autor Malte Herwig beleuchtet in »Austrian Psycho« den Fall aus einem neuen, unbekannten Blickwinkel: Er verwebt verbriefte Fakten, Gespräche mit Zeitzeug:innen und Unterwegers Aussagen zu einer packenden dokumentarischen Erzählung – und entlarvt so die abgründige Faszination als das trickreiche Spiel des Serienkillers mit Sprache.

Anni Lemberger

Rezension von Anni Lemberger

Im Juni 2024 jährt sich der Todestag von Jack Unterweger zum 30. Mal. 2024 ist „ein Unterweger-Jahr“, wie die Strafvertreidigerin Dr. Astrid Wagner, im Fernsehen betonte. Denn immer noch zieht zieht Johann oder Jack, wie er sich selber nannte, die Menschen in und außerhalb Österreichs reihenweise in seinen Bann.

Mich beschäftigt weniger die Person Unterweger, sondern seine dunkle, narzisstische Seite mit der er es schaffte, derart viele Menschen – besonders Frauen – zu manipulieren und für seine Zwecke zu benutzen. 

Hier hat der Autor des Buches versucht, anzusetzen und zu erklären, warum seine wahren Ziele nicht durchschaut werden konnten und sich so viele Prominente öffentlich für seine vorzeitige Entlassung einsetzten. Dafür hat Herwig sehr gut recherchiert, mit vielen Menschen gesprochen und viele Akten durchforstet. Unterweger wird hier von einer völlig anderen Seite beleuchtet, die aber nicht weniger beängstigend ist und den Leser sehr nachdenklich zurück lässt.

Seine Manipulationen begannen mit dem Zeitpunkt, als Jack begann „ein Musterhäftling“ zu werden. Er machte mit großer Anstrengung in Haft den Hauptschulabschluss nach und begann sich schriftstellerische Fähigkeiten anzueignen. Seine „Literatur-Lehrerin“ erkannte seine wahren Ziele zu spät. Als sie Warnungen aussprach, hörte sie keiner mehr, weil sie nicht mehr in das Konzept des geläuterten Häftlings passen wollten. Seine öffentliche Unterstützung war bereits so weit im Rollen, dass es kein Aufhalten mehr gab…

Außerdem spielten meines Erachtens noch zwei weitere Faktoren eine große Rolle: Der damalige Justizminister Broda wollte Häftlinge durch eine gelungene Strafresozialisierung zu besseren Menschen machen und er träumte von einer Zeit ohne Gefängnisse. Unterweger schaffte es bereits sehr früh, seine „Lehrerin“ dafür zu gewinnen, seine „Autobiografie“ zu lektorieren. Besser gesagt, sie kürzte 1200 Seiten von einem wirren „Geschreibsel“ auf die bekannten 300 Seiten seiner erfolgreichen Biografie, „Fegefeuer“, die er als sein Werk ausgab. Von ihm war nur die Schilderung seiner Kindheit – und die war in vielen Teilen gelogen, wie sich später herausstellen sollte. Bekannt wurde nachher auch, dass er sich vieler Plagiate bediente, die er als seine Werke ausgab. So verstand er es, den begabten Schriftsteller nur vorzuspielen. Denn bereits ein halbes Jahr nach seiner Haftentlassung, begann sein Erfolg wieder zu versiegen.

Seine vorzeitige Haftentlassung passte damals einfach in Broda´s Konzept von der gelungenen Resozialisierung, als das des „völlig gewandelten, geläuterten und zudem noch erfolgreichen und begabten Häfnpoeten“. 

Was für ein Irrtum, der vielen Frauen, das Leben kosten sollte…

Denn: Wie die Recherchen des Buches aber aufzeigen, diente seine Schriftstellerei nur seinen narzisstischen Zielen: aus der Haft entlassen zu werden und dann noch Teil der Wiener privilegierten Gesellschaft zu werden.

Was mich beim Lesen des gut geschriebenen und sehr informativen Buches verstört hat, war die Tatsache, wie einseitig Unterweger damals gesehen wurde und welch´ enormer Druck von der Wiener Schickeria Gesellschaft ausging, Unterweger in die Freiheit zu entlassen. Kritische Stimmen gingen schnell unter und fanden kein Gehör mehr.

Unterweger täuschte sie alle und führte sie vor: Sowohl innerhalb der Haftanstalt, als auch außerhalb….. . “Schriftsteller- Kollegen“, Politiker, Damen der gehobenen Gesellschaft genauso wie Frauen, die er in den Bars und Nachtlokalen kennen lernte. Seine dunkle Seite lernten nur jene Frauen kennen, die die Begegnung mit ihm meist nicht überlebt haben.

Was Unterweger im Gefängnis gelernt hatte, war vor allem die sorgfältige Planung seiner Taten und das Verwischen fast aller Spuren. Aber ob eine Resozialisierung von malignen Narzissten (Diagnose Dr. Haller) überhaupt möglich ist, bleibt fraglich und wird seit der „Causa Unterweger“ wohl besser untersucht werden?

Anmerkung: Nachdem sich Unterweger noch in der Nacht nach dem Urteil suizidiert hat, ist das Urteil nie rechtskräftig geworden und er darf deshalb nur als „mutmaßlicher“ Prostituiertenmörder bezeichnet werden.


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