„Der Schein trügt“ – eine zwiespältige Geschwisterliebe

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Mit Thomas Bernhards bitterböser Komödie, einem Künstlerdrama, in dem zwei alternde Brüder zwischen Aggression und Zuneigung schwanken, eröffnete das Schauspielhaus Salzburg am 12. September 2013 die neue Theatersaison. Das Stück bietet Paraderollen für zwei großartige Schauspieler: Harald Fröhlich und Georg Reiter.

Von Elisabeth Pichler.

Für die Brüder Karl und Robert gehören die regelmäßigen gegenseitigen Besuche zur Routine, doch die Begeisterung hält sich in Grenzen: „Wie ich diese Dienstage hasse. Noch mehr hasse ich die Donnerstage.‟ Ihre Karrieren liegen zwar lange zurück, doch die Rivalität zwischen den beiden Künstlern, einem Artisten und einem Schauspieler, besteht noch immer. Karl kümmert sich nach dem Tod seiner Lebensgefährtin Mathilde rührend um deren auf dem linken Auge blinden Kanarienvogel Maggi, den er selbst nie wollte. Von der „gescheiterten Pianistin“ im „ungünstigsten Moment verlassen“ hatte, muss er irritiert und gekränkt feststellen, dass sie ihr Wochenendhäuschen nicht ihm, sondern seinem Bruder Robert vermacht hat. „Der Schauspieler also verdiente es, nicht der Artist – der Hochstapler, nicht der Lebensgefährte.‟

Karl hielt am Höhepunkt seiner Karriere 23 Teller auf einmal in der Luft, das machte ihm keiner nach. Harald Fröhlich verkörpert diesen fast krankhaft pedantischen alternden Artisten, der mit dem Alleinsein kämpft, auf unnachahmliche Weise. Mit sauertöpfisch verkrampfter Mimik und zittriger Gestik hält er zu Beginn einen 45-minütigen Monolog, in dem er gegen Gott und die Welt, vor allem aber gegen die verschlagene, ungerechte Mathilde, mit der er immerhin dreißig Jahre alles geteilt hat, und seinen heimtückischen Bruder Robert, den Schauspieler ohne Fantasie, wettert. Schließlich stellt er desillusioniert fest: „Wir sind ein Wrack.“ Als endlich, mit der erwarteten Verspätung, sein Bruder Robert auftaucht, werden die gravierenden Unterschiede, die zu so vielen Zwistigkeiten geführt haben, offensichtlich. Georg Reiter badet geradezu in der Rolle des chaotischen, hypochondrischen Schauspielers und versteht es hervorragend seinen Bruder, mit leicht affektierter, deklamierender Bühnensprache zu verletzen und zu demütigen.

Mit viel Liebe zum Detail wurden von Ragna Heiny (Bühne und Kostüme) die Zimmer der beiden alten Herren eingerichtet. Hausherr Robert Pienz hat diese amüsante und zugleich erschreckende Komödie des Alterns mit dem nötigen Feingefühl für Thomas Bernhards hoch musikalische Höllenwelt in Szene gesetzt. Diesen fulminanten Auftakt in die neue Theatersaison sollte sich kein Thomas- Bernhard-Fan entgehen lassen.

„Der Schein trügt“ von Thomas Bernhard. Regie: Robert Pienz. Bühne & Kostüme: Ragna Heiny. Dramaturgie: Christoph Batscheider. Licht: Florian Haß. Regieassistenz: Marianne Haller. Mit: Harald Fröhlich und Georg Reiter. Fotos: Marco Riebler

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