Helmut Vitzthum inszeniert Yasmina Rezas bissig pointierte Komödie, die 2011 von Roman Polanski verfilmt wurde, mit einem grandios aufspielenden Quartett. Ewa Rataj, Sinikka Schubert, Hans Jürgen Bertram und Volker Wahl liefern sich geschliffen scharfe Wortgefechte, die schließlich in Handgreiflichkeiten münden. Die Premiere fand am 28. April 2017 im Kleinen Theater statt und garantiert beste Unterhaltung.
Von Elisabeth Pichler
Der elfjährige Ferdinand und der gleichaltrige Bruno haben sich im Park geprügelt. Die fatalen Folgen: zwei abgebrochene Schneidezähne und eine geschwollene Lippe. Die Eltern des „Schuldigen“ treffen sich bei den Eltern des „Opfers“, um den unangenehmen Vorfall kultiviert zu besprechen und gemeinsam zu überlegen, wie man auf die Kinder pädagogisch richtig einwirken sollte. Zu ersten Unstimmigkeiten kommt es bereits beim Protokollieren des Tathergangs, denn der Ausdruck „bewaffnet mit einem Stock“ geht Alain und Annette doch etwas zu weit. Nachdem Veronique und Michel bereit sind, eine Korrektur vorzunehmen, versucht man sich höflich und zurückhaltend zu geben. Diese Fassade kann nicht lange aufrechterhalten werden, sie beginnt zu bröckeln. Die Paarbeziehungen rücken mehr und mehr in den Vordergrund, denn auch hier lauert enormes Konfliktpotential. Die Situation wird immer grotesker, mal verbünden sich die Frauen, mal die Männer, bald schon geht es jeder gegen jeden. Die Folgen sind ein angekotzter Kokoschka-Bildband, ein im Wasser versenktes Handy und jede Menge brutal gekillter Tulpen. Als eine völlig fertige Annette feststellt: „Das ist der unglücklichste Tag meines Lebens“, stimmen ihr erstmals an diesem Abend alle zu.
Sinikka Schubert und Volker Wahl sind bereits 2013 im Schauspielhaus Salzburg mehrmals gemeinsam auf der Bühne gestanden und begeisterten das Publikum in „Der Vorname“ und „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“. In Yasmina Rezas bitterbösem Stück müssen sie ihren „wilden“ Sohn verteidigen und dabei ist ihnen jedes Mittel recht. Volker Wahl darf als dauertelefonierender, skrupelloser Anwalt Arroganz und Zynismus voll ausleben. Kein Wunder, dass seine Frau das buchstäblich zum Kotzen findet. Hans Jürgen Bertram, ehemaliges Ensemblemitglied des Salzburger Landestheaters, überzeugt als gutmütiger, biederer Großhändler von Haushaltsartikeln. Dass er dem Hamster seiner Tochter die „Freiheit geschenkt“ hat, macht ihn in den Augen der anderen zum brutalen Mörder und führt dazu, dass auch er ausrastet. Seine Frau, eine Afrikaspezialistin (Ewa Rataj), verliert hingegen völlig die Nerven, als ihr kostbarer Bildband ruiniert wird.
Das mit modernen weißen Sitzmöbeln minimalistisch eingerichtete Wohnzimmer wird im Laufe des Abends zu einem Schlachtfeld, wobei auch die extra für diesen Anlass gekauften Tulpen nicht verschont werden. Dem Publikum macht es hörbar Spaß, das rasante Pointenfeuerwerk der eskalierenden Streitereien auf der Bühne mitzuverfolgen. 90 Minuten, die wie im Flug vergehen, wobei der Reiz der Wiedererkennung bestimmter Verhaltensmuster enorm groß ist.
„Der Gott des Gemetzels“ – Komödie von Yasmina Reza. Regie: Helmut Vitzthum. Regieassistenz: Melanie Arnezeder. Bühnenbau: Franz Holzschuh. Ausstattung: Nicole Horn. Mit: Ewa Rataj, Hans Jürgen Bertram, Sinikka Schubert, Volker Wahl.
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