Peter Raffalt hat Molières „Sprachgewitter“ dezent modernisiert und somit den über 350 Jahre alten Komödien-Klassiker in die Gegenwart katapultiert. Der unterhaltsame Theaterabend über geheuchelte Freundlichkeiten und intrigante Machenschaften wurde vom Premierenpublikum am 18. Dezember 2019 stürmisch gefeiert.

Von Elisabeth Pichler
Alceste hasst das heuchlerische Spiel der feinen Gesellschaft, denn er fühlt sich der absoluten Wahrheit verpflichtet. Am liebsten würde er die Menschen überhaupt meiden und in die Wüste flüchten. Sein Freund Philinte rät ihm zur Mäßigung, doch vergeblich. Alceste beleidigt den jungen Poeten Oronte zutiefst, indem er sein Sonett als „blanken Mist“ bezeichnet. Dieser kann die harte Kritik nicht ertragen und zieht beleidigt vor Gericht.
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Die Liebe zur jungen, schönen und überaus lebenslustigen Witwe Célimène macht den uncharmanten Moralisten Alceste jedoch blind. Er merkt nicht, dass die oberflächliche, selbstverliebte junge Dame mit ihm nur spielt, ebenso wie mit allen anderen Männern, die sie umschwirren. Als ein Brief auftaucht, in dem sich Célimène über all ihre Verehrer lustig macht, steht sie plötzlich alleine da, nur Alceste bleibt ihr treu und sieht seine Chance gekommen.
Kristina Kahlert feiert als vergnügungssüchtige Célimène Party ohne Ende. Ihre zahlreichen Verehrer wickelt sie ebenso um den Finger, wie den ihr treu ergebenen Alceste. In der Rolle dieses „ahnungslosen Trottels“ leidet und poltert Antony Connor. Bülent Özdil darf sich als geltungssüchtiger Oronte als Rapper beweisen. Sein Sonett „Hoffnung“ wird zwar von Alceste niedergemacht, doch das Publikum scheint anderer Meinung zu sein und applaudiert kräftig. Zickenkrieg gibt es, wenn die sittenstrenge Arsinoé (Ulrike Arp) auftaucht. Die „scheinheilige Ziege“ und das „Flittchen ohne viel Niveau“ liefern sich köstliche Wortgefechte. Simon Jaritz-Rudle als Acaste und Tilla Rath als Éliante umschwärmen die kokette Célimène und lassen keine Party aus.
Das streng reduzierte Bühnenbild wird von einem wackeligen Podest beherrscht, das nur schwer in Balance zu halten ist und ständig – ob gewollt oder erzwungen – in Schieflage gerät. Hier präsentiert sich die affektierte Gesellschaft in eigenwilligen, sehr eleganten, Kostümen, die ihre Künstlichkeit und Eitelkeit noch betonen und zugleich ihre eigentliche Fassade verbergen (Ausstattung: Agnes Hamvas).
Regisseur Peter Raffalt: Das Stück ist zeitlos. „Der Menschenfeind“ ist ein Sittenbild einer narzisstischen, hedonistischen Vergnügungsgesellschaft. Er zeigt ein Bild einer Gesellschaft, die am Rande ist, einer Gesellschaft, die sich selbst überholt hat, die sich selbst nicht mehr kennt, sondern nur noch das Bild, das sie nach außen repräsentiert. Letztendlich funktioniert auch der heutige Mensch über weite Strecken darüber, dass er etwas darstellt, was eigentlich gar nicht er ist. Von daher hat es etwas durchaus Erschreckendes, zu sehen, wie gut „Der Menschenfeind“ in die heutige Zeit passt.
Dieses geistreiche und unterhaltsame Theatervergnügen steht bis 2. Februar 2020 im Schauspielhauses Salzburg am Programm und sorgt zu Silvester gleich zwei Mal, um 15 Uhr und 19.30 Uhr, für einen vergnüglichen Rutsch ins neue Jahr.
„Der Menschenfeind“ von Molière. Regie und Fassung: Peter Raffalt. Ausstattung: Agnes Hamvas. Musik: Georg Brenner. Choreographie: Lisa Moon. Mit: Antony Connor, Simon Jaritz-Rudle. Bülent Özdil. Kristina Kahlert, Tilla Rath, Ulrike Arp. Video: Schauspielhaus – Fotos: Jan Friese
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