„Wolken.Heim./ Am Königsweg“ – Elfriede Jelinek im Doppelpack

WolkenHeim

In den Salzburger Kammerspielen befassen sich zwei Theaterstücke der Nobelpreisträgerin mit dem Phänomen des Rechtspopulismus. „Wolken.Heim.“, uraufgeführt 1988, und „Am Königsweg“ aus dem Jahr 2017 beleuchten fremdenfeindliches Gedankengut im Privaten und auf der Weltbühne.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Regisseur Johannes Eder zwingt das Publikum, genau hinzusehen und zuzuhören. Die sprachlich brillanten Textflächen rütteln auf und mahnen zur Vorsicht. Viel Jubel bei der Premiere am 30. September 2023.

Eine Familie feiert im trauten Heim Weihnachten und ist extrem glücklich. „Wir sind bei uns. Wir sind bei uns zuhaus.“ Geschenke werden ausgepackt, eine gute Suppe wird geschlürft und wie ein Mantra der Satz in den unterschiedlichsten Variationen wiederholt. „Wir sind wir. Nur bei uns sind wir zuhaus.“

Fast manisch wird dieses „Wir“ wiederholt und betont damit Fremdenfeindlichkeit und Abschottung. Während Vater, Mutter, Sohn und Tochter um die Wette strahlen, weist der alte Großvater auf die ständig drohenden Gefahren hin. „Wir sind von Fremdem umschattet!“ Nach der Bescherung wird der Fernseher eingeschaltet und da werden die Gefahren plötzlich sichtbar, denn Flüchtlingsdramen verheißen wahrlich nichts Gutes. „Der Boden ist unser, aber wie lange noch?“

Elfriede Jelineks „Wolken.Heim.“ ist eine Collage aus Zitaten von Hölderlin, Hegel, Heidegger, Fichte und Kleist bis hin zu Texten der RAF. Die Versatzstücke sind miteinander verflochten, entfremdet und mitunter bewusst sinnentstellt. Sie legen die Wurzel des Nationalismus als ideologisiertes (deutsches) Wir-Gefühl frei.

Zum Glück naht die Rettung. Ein charismatischer König erscheint und versichert allen, die vor ihm auf die Knie gehen: „Durch mich gerettet!“ Er wirft mit Geld um sich und verspricht den absoluten Aufschwung. „Ich bin die Wahrheit und das Leben!“ Zu spät bemerkt das Volk, dass die Demokratie auf der Strecke bleibt. Alles wird ausgelagert, denn „kein Haus, kein Besitz, so bleiben die Leute uns gefällig“. Nur die Jüngste, die Prinzessin, spielt nicht mit und das muss sie bitter bezahlen.

Anfangs strahlen Vater (Matthias Hermann), Mutter (Tina Eberhardt), Sohn (Martin Trippensee) und Tochter (Leyla Bischoff) noch um die Wette. Nur der alte, mieselsüchtige Großvater (Marco Dott) macht da nicht mit, denn er ahnt schon, dass dunkle Gestalten das schicke Häuschen umkreisen. Gregor Schulz hat als diabolischer König einen wahrhaft großen Auftritt. Er lässt buntes Konfetti regnen und beeindruckt mit markigen Sprüchen. Dass nichts dahintersteckt, wird klar, als Vater und Sohn die Kündigung in Händen halten. Dann geht es steil bergab und im trauten Heim sitzen bald schwer Bewaffnete. Da ist wohl so einiges schiefgelaufen.

Johnnes Ender hat die zwei Stücke perfekt gemixt und serviert sie mit viel Witz, sodass der Stoff leichter zu verdauen ist. Hannah Landes ist die heile Welt im Puppenhaus zu verdanken, die zum Finale allerdings völlig ramponiert ist. Elfriede Jelinek, bekannt als Rebellin, Feministin, Skandalautorin, FPÖ-Gegnerin und Kommunistin, hat in diesen zwei Stücken mit den ewig Gestrigen und dem im Aufwind befindlichen Rechtspopulismus gnadenlos abgerechnet. Ein überaus wichtiges Stück, das uns auffordert, den Tatsachen ins Auge zu sehen.

„Wolken.Heim. / Am Königsweg“ – Elfriede Jelinek. Inszenierung: Johannes Ender. Bühne und Kostüme: Hannah Landes. Choreographie: Josef Vesely. Mit: Marco Dott, Matthias Hermann, Tina Eberhardt, Martin Trippensee, Leyla Bischoff, Gregor Schulz, Andrea Möller, Elena Nobili, Claus Fölser. Fotos: © SLT / Christian Krautzberger

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