„Nachtland“ – ein schwieriges Erbe

Nachtland

Im Schauspielhaus Salzburg ist derzeit eine schwarze Komödie mit politischem Hintergrund des deutschen Dramaturgen und Dramatikers Marius von Mayenburg zu sehen. Wie gut kennen wir die Vergangenheit unserer Vorfahren wirklich? Ist es vielleicht doch möglich, dass da eine braune Suppe überschwappt? Die bitterböse Komödie kam beim Publikum am 27. November 2023 bestens an. Viel Applaus.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Der Vater ist vor zwei Wochen gestorben und nun müssen seine Kinder Philipp und Nicola schleunigst den Haushalt auflösen, denn die neuen Mieter warten schon. Nicola ist noch immer total sauer auf ihren Bruder, weil der sich überhaupt nicht um den kranken Vater gekümmert hat. So blieb wieder einmal alles an ihr hängen. Wenigstens hilft jetzt ihr Mann Fabian fleißig mit beim Räumen. Auch Philipps Gattin, die schwangere Judith, pinselt ein paar Wände, wenn auch ohne große Begeisterung.

Spannend wird die Geschichte, als am Dachboden zwischen all dem Staub und Krempel ein sorgfältig verpacktes Bild entdeckt wird. Eigentlich ist es nur ein banales Aquarell, doch der schlichte schwarze Holzrahmen ist ganz hübsch und wäre vielleicht noch zu gebrauchen. Als Fabian das Gemälde aus dem Rahmen nimmt, verletzt er sich am Finger. Das nimmt aber niemand so richtig zur Kenntnis, bis es für ihn fast zu spät ist. Die Signatur am unteren Rand des Bildes ist da freilich viel interessanter. A. Hiller oder A. Hitler, das ist hier die Frage. Eine zugezogene Expertin, Frau Dr. Evamaria Günther, ist sich sicher, dass es sich hier um einen „echten Hitler“ handle und das Bild somit mindestens 100.000 Euro wert sei.

Nicola ist begeistert. Nun könnten sie endlich ausbauen, dann hätten sie mehr Platz und könnten endlich sogar an Kinder denken. Philipp ist stolz, dass er als Deutscher eine echte Jüdin geheiratet hat, doch nun macht Judith Probleme. Sie möchte das Werk am liebsten vernichten. Als die Expertin eine Provenienz verlangt, wird in der Familiengeschichte herumgestochert. Oma Grete war doch Opernsängerin und kannte sogar Martin Bormann. Von wem ist eigentlich der kostbare Ring mit der Gravur M.B.? Als ein anonymer Käufer erscheint, eskaliert die Situation völlig.

Philipp (Theo Helm) und seine Schwester Nicola (Petra Staduan) zelebrieren den Familien- Hickhack und schenken sich dabei beide nichts, ihre Beleidigungen sitzen und treffen. Philipps Frau Judith (Sophia Fischbacher) entlarvt immer wieder Verdrängungsmechanismen und reagiert sauer, wenn „Palästina“ nur erwähnt wird. Fabian (Antony Connor) darf zwar fleißig mithelfen, doch als er sich verletzt, schauen alle weg. Isabella Wolf überzeugt als eiskalte Hitler-Expertin, die in Hitler noch heute den Grund für unseren Wohlstand sieht.

Sarantos Georgios Zervoulakos (Regie und Ausstattung) hat diesen „Erbenkreis“ in praktische Trainingsanzüge gesteckt und ihm auf der fast leeren Bühne viel Platz gelassen, denn irgendwer muss ständig beleidigt davonlaufen. Ein Abend, der viel Stoff zum Nachdenken bietet, aber auch gut unterhält. Der dubiose namenlose Käufer (auch Antony Connor) zählt schließlich bekannte Judenhasser auf und das sind leider sehr viele. Der hochinteressante Artikel „Judentum und Antisemitismus in Deutschland und Österreich – Eine kleine Chronologie“ kann im Programmheft nachgelesen werden.

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