Das neu gegründete Kollektiv „We Are Family“ hat sich im Rahmen dieses Theaterprojektes die Frage gestellt: „Was bedeutet eigentlich Familie für mich?“ Drei Damen und drei Herren des Schauspielensembles des Salzburger Landestheaters geben Einblick in ihre derzeitige Familiensituation und schwelgen in Erinnerungen. Das Publikum zeigte sich bei der Uraufführung am 1. Oktober 2021 begeistert von diesem ungewöhnlichen Feel-Good-Theaterabend.

Was kochen wir denn heute? Jeder hat ein anderes Lieblingsgericht, angeblich auch die eine oder andere Intoleranz, ist Vegetarier oder gar Veganer. Man einigt sich daher auf eine Minestrone und unterschiedlich gefüllte Blätterteigtaschen, denn es sollte dem Gast – heute wird Michael Niavarani erwartet – ja schließlich schmecken. Während die ersten Küchendüfte von der Bühne Richtung Zuschauerraum ziehen, erinnert sich Georg Clementi an die Düfte seiner Oma. Noch heute sieht er sie vor sich, wie sie auf der Hausbank sitzt und jammert: „Wann holt er mi denn endlich?“ Ja, so war das früher bei den wirklich frommen Leuten, denn einen ähnlichen Spruch kenne ich von meiner Großmutter, bald nach ihrem 80. Geburtstag: „I glaub, er hat mi vergessn.“ ___STEADY_PAYWALL___
An diesem Abend erinnert man sich oft an selbst erlebte, ähnliche Situationen. Warum etwa wurden in vielen Familien Gläser, die man nie benützt, in Vitrinen ausgestellt? Großartig auch die Szene, in der eine Mutter (Anja Clementi) ihrer Tochter (Lisa Fertner) kurz vor der Hochzeit durch kleine Sticheleien zu verstehen gibt, dass sie mit deren Wahl nicht ganz zufrieden ist. Da schwingt ganz klar der Vorwurf mit: „Warum hat es nicht ein Anwalt oder Arzt sein können?“ Leider gehören auch Kränkungen zum familiären Alltag.
Wie erfrischend hingegen, wenn Gregor Schutz von seiner kindlichen Suche nach einem „Seelentier“ erzählt. Leider wurden ihm nur Vögel erlaubt und die eignen sich leider nicht wirklich als Kuscheltiere. Janna Ramos-Violante wuchs in Südafrika auf und fühlte sich (obwohl blond) immer als schwarzes Schaf in der Familie, denn sie konnte die Leidenschaft ihrer braungebrannten Surf-Brüder, die den ganzen Tag am Strand verbrachten, einfach nicht teilen. Nur gut, dass sie ein Tiroler weit weg vom Indischen Ozean entführt hat. Maximilian Paier ist jung und greift, wenn man ihn nicht in der Küche braucht, immer schnell zu seiner Playstation.
Nach 70 Minuten ist die Minestrone fertig und der österreichisch-persische Kabarettist, Schauspieler und Theaterdirektor Michael Niavarani betritt völlig entspannt die Bühne, obwohl er keine Ahnung hat, was ihn dort eigentlich erwartet. Er ist der Meinung, dass Familie nur mit Humor zu ertragen ist, und serviert als Mitbringsel ein bitterböses Lied von Helmut Qualtinger und André Heller: „Bei Mir Sads Alle Im Orsch Daham.“ Da kann Georg Clementi zum versöhnlichen Finale nur noch eines seiner großartigen Zeitlieder erklingen lassen.
Carl Philip von Maldeghem hat mit diesem Projekt dem Publikum einen wohltuend heiteren Abend geschenkt, der zum Nachdenken über die eigene Familie anregt. Am besten man wirft einen Blick auf die zu erwartenden Gäste und entscheidet sich dann für den passenden Termin. Vorstellungen gibt es noch bis 3. März 2022.
„Familienabend“ – We Are Family. Uraufführung. Von und mit: Anja Clementi, Georg Clementi, Lisa Ferner, Maximilian Paier, Janna Ramos-Violante, Gregor Schulz und einem Gast. Inszenierung und Raum: Carl Philip von Madeghem. Mitarbeit Textentwicklung: Ivan Vlatković. Kostüme: Stephanie Bäuerle. Fotos: Tobias Witzgall
Kommentar hinterlassen zu "„Familienabend“ – Viva la Famiglia"