Die Freie Bühne Salzburg zeigt auf der Naturbühne am Schlossberg in Mattsee eine von Regisseur Helmut Vitzthum bearbeitete, moderne Fassung von Hugo von Hofmannsthals Klassiker. Nach rund zwei Stunden darf der Tod einen geläuterten Jedermann, der zu sich selbst gefunden hat, mit sich nehmen. Zurück bleibt ein wütender Teufel: „Die Welt ist dumm, gemein und schlecht!“

Von Elisabeth Pichler
Weiße Designermöbel und goldene Weinbecher machen aus der Naturbühne einen modernen, edlen Wohnsitz. In einem dieser stylischen Sessel schläft Jedermann und wird von schlechten Träumen gequält. Er scheint zu ahnen, dass es mit seinem schönen Leben bald vorbei sein wird. Dem armen Nachbarn jammert er vor, wie kostenintensiv seine Besitztümer sind, und den Schuldknecht kanzelt er kalt ab. Doch irgendwie verderben ihm diese Belästigungen, ebenso wie die Vorhaltungen seiner Mutter, die Stimmung und er verschiebt die Besichtigung seines Lustschlosses auf später.
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Bei der abendlichen Tischgesellschaft schafft es die Buhlschaft, ihn kurz aufzuheitern, doch dann überkommt ihn wieder ahnungsvoll eine Melancholie. Als der Tod erscheint, um ihn mitzunehmen, gerät er in Panik. Ob er in einer Stunde wohl jemanden finden wird, der bereit ist, ihn auf diesem letzten Weg zu begleiten?

Hans-Jürgen Bertram lebt schon über 20 Jahre in Salzburg und schlüpft nun erstmals in die „Kultrolle“ des Jedermanns. In Helmut Vitzthums Inszenierung überzeugt er von Anfang an als ein von Ängsten gequälter und getriebener Lebemann. Ungetrübte Freude bereitet ihm nur seine attraktive Buhle (Lydia Nassall), die die Tischgesellschaft mit einer spektakulären Feuershow zu unterhalten weiß.

Als emotionsloser Tod schreitet Bàlint Walter majestätisch und gelassen durch den nächtlichen Wald und über die Stufen der Bühne. Da wird auch dem Publikum bewusst, dass es im Ernstfall kein Entrinnen geben wird.
Melanie Arnezeder fungiert als cooles Skriptgirl, das als Spielansagerin schnoddrig mahnt, ja die Lehre aus dem Stück zu ziehen. Als Mammon umkreist sie ihren Besitzer als goldene Spinne und lässt ihn als Marionette nach ihrem Willen tanzen. Hermann Lechner gibt als Guter Gesell einen braven Buchhalter, der sich um die Geschäfte kümmert und stets mit Aktentasche unterwegs ist. Base (Silvia Rohr) und Dicker Vetter (Christoph Mierl) sind stets bester Laune und räumen ungeniert das Haus leer, sodass nur mehr drei schwarze Podeste übrig bleiben, die passend zum Schlussbild an Särge erinnern. Gabriele Falkner liest als gläubige Mutter ihrem Sohn gehörig die Leviten und rät ihm zu einer baldigen Hochzeit, denn nur so werde aus Wollust ein Heiligtum.

In letzter Zeit sah man die Guten Werke meist krank und schwächlich über die Bühne wanken, doch Lilian Schaubensteiner überzeugt als absolut positive, gut gelaunte Figur, eine lebensbejahende Abwechslung, die richtig guttut. Bei der Generalprobe, die ich am 30. Juli 2019 besuchen durfte, fiel krankheitsbedingt der Glaube aus und musste eingelesen werden. Der von Selbstzweifeln erfüllte Jedermann schaffte es jedoch auch so, sich selbst anzunehmen. Nach so viel Gläubigkeit sorgt der Auftritt des frustrierten Teufels stets für Heiterkeit. In dieser Rolle pirscht sich Johannes Konrad dämonisch wie ein Höllenhund an. Nach seiner Niederlage versteht er die Welt nicht mehr.

Die wundervollen Kostüme sind eine Leihgabe des Salzburger Landestheaters. Man kann der groß aufspielenden Truppe nur viele so traumhaft schöne Abende wie bei der Generalprobe wünschen. Bei Schlechtwetter findet die Produktion im Diabelli-Saal statt.

„Jedermann“ – Schlossbergspiele Mattsee 2019. Regie: Helmut Vitzthum. Kostüme: Landestheater Salzburg. Technik: Roland Lederer. Maske: Elisabeth Dehmel, Lisa Rindberger. Mit: Hans-Jürgen Bertram, Lydia Nassall, Bálint Walter, Melanie Arnezeder, Johannes Konrad, Hermann Lechner, Lilian Schaubensteiner, Irene Refela, Sylvia Rohr, Christoph Mierl, Gabriele Falkner, Christian Zink, Carina Schmeisser, Francisca Leimgruber, Hannah Handlechner. Fotos: Freie Bühne Salzburg/ Chris Rogl
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