Der 1925 erschienene Roman des US-amerikanischen Autors F. Scott Fitzgerald ist ein Spiegel- und Schlüsselwerk der 20er Jahre in den Vereinigten Staaten. Die „Roaring Twenties“ sind gekennzeichnet durch Vergnügungssucht und Gangstertum, eine Folgeerscheinungen der wirtschaftlichen Blüte nach dem Ersten Weltkrieg. Rudolf Freys stringente Bühnenadaption ist eine Charakterstudie und kommt ganz ohne Glamour aus. Die Premiere fand am 17. September 2020 im Großen Saal des Schauspielhauses Salzburg statt.

Von Elisabeth Pichler
Wer ist Jay Gatsby eigentlich? Niemand scheint den undurchsichtigen Geschäftsmann wirklich zu kennen, doch sein schier unermesslicher Reichtum, sein schlossähnliches Haus auf der Insel Long Island und seine rauschenden Partys sind legendär. Hier trifft sich die feine New Yorker Gesellschaft gerne, ob nun eingeladen oder nicht.
Doch Gatsby fühlt sich in dem ganzen Trubel einsam und ist nicht wirklich glücklich, denn er sehnt sich nach seiner Jugendliebe Daisy. Diese ist mit dem reichen, reaktionären Millionär Tom Buchanan verheiratet, hat eine kleine Tochter und wohnt ganz in der Nähe, auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht. Sie zurückzugewinnen ist sein großer Plan und die Chancen stehen gar nicht schlecht. ___STEADY_PAYWALL___
Tom ist seiner zarten Frau gegenüber ein Grobian und hat ein Verhältnis mit Myrtle Wilson, der Gattin des Automechanikers. Sein Nachbar Nick Carraway und die attraktive Jordan Baker verhelfen Gatsby zu einem ganz „zufälligen“ Treffen mit der Angebeteten. Daisy kann sich aber nicht entscheiden und fühlt sich zwischen ihrem Ehemann und dem charmanten Gatsby hin- und hergerissen.
Ein gemeinsamer Ausflug und ein verbaler Schlagabtausch zwischen den beiden Männern führen schließlich zur Katastrophe. Nach kurzer Schockstarre beschließt man jedoch, einfach weiterzumachen: „So kämpfen wir uns voran, Boote gegen die Strömung, unablässig zurückgetragen, der Vergangenheit zu.“
Zu den Klängen von Frank Sinatras Song „The House I Live In (That’s America to Me)“ betreten die Protagonisten nach und nach die Bühne, während Jay Gatsby (Bülent Özdil) sich von der Empore aus anhören muss, für welchen Blender sie ihn gehalten hatten. War er etwa doch ein Spion, oder gar ein Alkoholschmuggler? Sein Reichtum machte ihn auf alle Fälle verdächtig. Nach diesem Vorspiel wird die Plastikfolie von dem schmucklosen Haus entfernt und wir sind mitten drinnen zwischen all den gar nicht so glücklichen Schönen und Reichen. Katharina von Harsdorf gibt Daisy, das fragile, oberflächliche, etwas überforderte Objekt der Begierde, das den Reichtum genießt und sich daher von ihrem groben Mann (Theo Helm) so einiges gefallen lässt.
Christine Warnecke macht sich als kühle, berechnende Jordan Baker an den schüchternen Börsenmakler Nick Carraway (Simon Jaritz-Rudle) heran. Zwischen all den selbstverliebten, gefühlskalten Snobs wirken der jähzornige, aufbrausende Automechaniker George Wilson und seine Frau Myrtle (Wolfgang Kandler und Sophia Fischbacher) erfrischend natürlich. Die Jagd nach dem Glück wird von Fabio Buccafusco gefühlvoll am Klavier begleitet. Gatsbys großartigen Palast bekommen wir allerdings nur als kleines Modell zu Gesicht. (Bühne: Vincent Mesnaritsch)
F. Scott Fitzgeralds hochgelobter Roman schildert den Untergang der tradierten Familienbilder, Genusssucht und Ausschweifungen lassen die Protagonisten scheitern. In Irmgard Lübkes Inszenierung stehen die zwischenmenschlichen Abläufe im Vordergrund und so wirkt das Stück wie ein intensives, bürgerliches Drama, in dem alle dem Abgrund entgegensteuern.
„Der große Gatsby“ nach dem Roman von F. Scott Fitzgerald. Fassung: Rudolf Frey. Regie: Irmgard Lübke. Bühne: Vincent Mesnaritsch. Kostüme: Elke Gattinger. Mit: Bülent Özdil, Simon Jaritz-Rudle, Katharina Harsdorf, Theo Helm, Christine Warnecke, Sophia Fischbacher, Wolfgang Kandler, Magdalena Oettl, Marcus Marotte. Fotos: Jan Friese/ SSH Video: Schauspielhaus Salzburg
Kommentar hinterlassen zu "„Der große Gatsby“ – Nach der Party kommt der Katzenjammer"