„Heldenplatz“ – Todunglückliche in der Österreich-Falle

Heldenplatz

Thomas Bernhards zum „Bedenkjahr“ 1988, dem 50. Jahrestag des fatalen Anschlusses an Nazi-Deutschland, verfasstes Theaterstück hätte im April 2020 am Salzburger Landestheater Premiere feiern sollen. Mit fast einem Jahr Verspätung ist nun Alexandra Liedtkes Inszenierung des einstigen Skandalstückes als Online-Stream zu sehen. Thomas Bernhards Kritik am Wesen der Österreicher klingt heute erschreckend aktuell.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Der jüdische Herr Professor Josef Schuster hat „sich ins Aus gerettet“, indem er von seiner Wohnung am Heldenplatz aus dem Fenster gesprungen ist. Eigentlich war er gerade dabei, nach Oxford zurückzukehren, wo er die finstere Zeit des Nationalsozialismus verbracht hatte, denn in Wien findet er alles schlimmer als vor 50 Jahren. Die Hausdame, Frau Zittel, bügelt ein letztes Mal seine schneeweißen Hemden und stellt uns den Genauigkeitsfanatiker, der alles hasste bis auf die russischen Dichter und die Musik, in einem großen Monolog vor. Er war wohl kein sehr beliebter Mensch und seine Gattin, das todunglückliche Geschöpf, hat es mit ihm nicht leicht gehabt. Auch von seinen Kindern, den zwei „studierten Schauertöchtern“ und seinem Sohn Lukas, der Niete, hielt er nicht viel.

Im zweiten Akt warten Anna und Olga, die Töchter des Professors, nach dem „kürzesten und fürchterlichsten Begräbnis“ ihres Lebens auf ihren Onkel Robert, einen Lebens- und Existenzkünstler. Dieser will an seinem Lebensabend nur noch seine Ruhe haben und weigert sich, gegen die Straße, die man mitten durch seinen Garten in Neuhaus plant, zu protestieren. Für ihn ist das Alter nur mehr eine einzige und große Bankrotterklärung.

Der Leichenschmaus findet zwischen Umzugskartons in der schon fast leeren Wohnung am Heldenplatz statt. Onkel Robert, Anna und Olga, Herr Landauer, ein Verehrer des Verstorbenen, sowie ein ehemaliger Kollege, Professor Liebig mit Gattin, sitzen an einem notdürftig gedeckten Tisch. Man wartet auf die Witwe und deren Sohn Lukas. Robert vertreibt sich die Wartezeit mit Schimpftiraden. Er wette…

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Dorfladen

1 Kommentar zu "„Heldenplatz“ – Todunglückliche in der Österreich-Falle"

  1. Ein grandioses Stück beeindruckend dargeboten. Das Streaming ist eine sehr gute Alternative zum faden Fernsehprogramm!

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