Hildegard Starlinger hat mit ihrem Theaterdoppelabend „Die Humanisten“ von Ernst Jandl und „All the silent ladies, all the silent ladies, now put your hands up“ von Laura Naumann kein Glück. Vor einem Jahr wurde das Projekt während der Probenzeit um ein Jahr auf Anfang Mai 2021 verschoben. Nun stehen wir zwar kurz vor der Öffnung der Kulturstätten, doch die kommt leider etwas zu spät. So konnte die Theateraufführung am 12. Mai nur als Stream online gestellt werden.

Ernst Jandls Konversationsstück „Die Humanisten“ beruht auf dem Prinzip der verbogenen Sprache. Zwei bornierte, elitär gesinnte Nobelpreisträger, einer eine „universitäten professor kapazität von den deutschen geschichten“, der andere ein „groß deutschen und inder national kunstler“ demonstrieren ihre Überlegenheit und kommen sich dabei fast in die Haare: „Du sein wollen Künstler?“ – „Du sein in Sackengassen!“ – „Du sein Tolpatschen!“ – „Du sein Ignorante!“ Zimperlich sind die beiden auch nicht, denn als sie einen Terroristen heranschleichen hören, fordern sie: „Aufhängen auf Stadtmauer!“ Sofie Gross als Künstlerin und Torsten Hermentin als Historiker liefern sich in Jandls „heruntergekommener Sprache“ hinreißende Rededuelle.
Der zweite Teil des Abends ist Laura Naumanns „Rip-off Monologen“ gewidmet. Stellvertretend für alle von sexueller Gewalt betroffenen Frauen wird hier ein selbstbewusstes Verstummen vorgeschlagen.

Wenn die Humanisten die Bühne verlassen, wird von den bisher im Hintergrund sitzenden Damen alles gründlich durchgefegt. Jede von ihnen vertritt eine gequälte Frau, sei es durch Zwangsverheiratung, Unterdrückung, häusliche oder sexuelle Gewalt. Sie sind sich alle einig: „Wir können uns doch wehren!“ Gleichzeitig stellen sie sich aber auch die Frage: „Warum muss ich mich immer wehren?“ Ihr NEIN soll Schwierigkeiten bereiten. Sie wollen den Männern kein NEIN mehr geben, sie wollen mundlose Gestalten sein, denn ein selbstbewusstes Verstummen wäre doch die Lösung, die Verweigerung jeder Reaktion. Die Gebärdensprachdolmetscherin Jutta Onrednik und die Sopranistin Erin McMahon komplettieren die geballte Frauenpower von Anna Adensamer, Elisabeth Breckner, Julienne Pfeil und Verena Pircher. Gemeinsam machen sie sich schließlich mit ihren Besen auf den Weg und fegen durch ein kleinen Gässchen in der Altstadt.
Da man nicht nur ein Theaterstück abfilmen wollte, nutzte man die Möglichkeit für Outdoor-Aufnahmen. Bühnen- und Kostümbildner Malte Lübbe ließ sich von Erwin Wurms absurden One-Minute-Sculptures inspirieren und stellte die Ensemblemitglieder als Skulpturen in den öffentlichen Raum. So entstanden als Abspann im Mirabell- und Zwergerlgarten aufgenommene großartig schräge Bilder, die von den beiden Humanisten sachkundig und interessiert bestaunt wurden.
Hildegard Starlingers engagiertes und überaus aufwändiges Projekt über Macht und Missbrauch sollte Frauen Mut machen, der Aufforderung „now put your hands up“ zu folgen. Gratulation an das ganze Ensemble.
„Die Humanisten“ von Ernst Jandl und „All the silent ladies, all the silent ladies, now put your hands up“ von Laura Naumann | Regie & Produktion: Hildegard Starlinger. Dramaturgie: Hildegard Starlinger & Markus Grüner-Musil. Bühne & Kostüm: Malte Lübben. Choreografie: Birgit Mühlmann-Wieser. Musik: Fernando Elias. Mit Anna Adensamer, Elisabeth Breckner, Sofie Gross, Torsten Hermentin, Alexander Lughofer, Erin McMahon, Jutta Onrednik, Julienne Pfeil, Verena Pircher.


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